„Wir warten aber auf einen neuen Himmel und eine neue Erde nach seiner Verheißung, in denen Gerechtigkeit wohnt.“ (2. Petrus 3, 13)
Liebe Gemeinde,
im Apostolischen Glaubensbekenntnis heißt es im Artikel über den auferstandenen Christus, der zu Rechten Gottes sitzt: „Von dort wird er kommen zu richten die Lebenden und die Toten“.
Seit fast zweitausend Jahren wartet die Christenheit auf jene Wiederkunft des Auferstandenen; eine gefühlte Ewigkeit. Schon damals, als der Zweite Petrusbrief entstand, etwa um 120 n.Chr. im kleinasiatischen Raum, kam dieses Warten den Christen unendlich lange vor. Wie umgehen mit einer Zusage, dass der Erlöser bald kommen werde und sich alles zum Guten wenden würde?
Wie umgehen mit einer Sehnsucht, von denen viele damals glaubten, sie würde Sehnsucht bleiben ohne Aussicht auf das tatsächliche Eintreffen des Erlösers? In der Entstehungszeit dieser Zeilen war die erste Christengeneration bereits Geschichte; deren brennende Zuversicht auf einen „neuen Himmel und eine neue Erde“ ebenfalls. Würde also alles Hoffen, Beten, Glauben umsonst gewesen sein?
Den Schreiber dieses Briefes erwartete eine fast unlösbare Aufgabe: den Gläubigen weiterhin die Hoffnung und Erwartung auf eine große Wende zu geben, trotz aller Gewalt und Ungerechtigkeit dieser Welt.
Diese Aufgabe sieht heute nicht anders aus als damals: angesichts von Krieg, Gewalt, Flucht und Vertreibung die Hoffnung auf eine bessere Welt nicht aufzugeben; diese Hoffnung hält uns am Leben!
Hierfür gibt uns der Zweite Petrusbrief einen guten Leitfaden mit: er wartet nicht auf eine monströse, gewalttätige Wende, die alles umstürzt, was vorher da war. Martialische Weltuntergangsfantasien haben noch selten Gutes hervorgebracht. Er deutet es so: gegen eine Zeit des Wartens voller Ungeduld, Zorn und Enttäuschung setzt Gott eine Zeit des Gestaltens, in der wir unsere Welt gerechter, respektvoller, friedlicher machen können. Eine Wartezeit, die in Wahrheit keine ist, sondern die uns zum Mittun und Gestalten auffordert und einlädt, ganz im Sinne Jesu.
Es grüßt Sie herzlich, Ihr Christoph Noack
Die Güte des HERRN ist's, dass wir nicht gar aus sind, seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende, sondern sie ist alle Morgen neu, und deine Treue ist groß.
(Klagelieder 3,22-23)
Da steht er nun vor den Trümmern seines Hauses. Die verkohlten Stümpfe der Dachbalken ragen in den Himmel; nur die Grundmauern stehen noch. Aber nicht nur seinem Haus und dem seiner Familie wurde der Garaus gemacht. Die ganze Stadt liegt in Schutt und Asche. Der Aggressor hat ganze Arbeit geleistet. Den materiellen Zerstörungen folgten die immateriellen: Deportation, Verbannung großer Bevölkerungsteile. Wie schwer war es da, in den Jahren fern der Heimat, die Hoffnung am Leben zu halten. Wie viele Tränen wurden vergossen in Erinnerung an glücklichere Zeiten in einer friedlichen Umgebung mit einem sicheren Zuhause.
Jetzt endlich konnten er und die vielen einst Vertriebenen zurückkehren. Jetzt endlich betraten sie wieder ihre Stadt und setzten die ersten zaghaften Schritte über die Schwellen ihrer Häuser oder dem, was von ihnen übriggeblieben war. Auch er, der namenlose Vertriebene, hatte sich mit auf den Weg zurück gemacht, während andere nur müde abgewunken hatten bei der Vorstellung, noch einmal von vorne beginnen zu müssen. Lieber hatten sie sich mit den Gegebenheiten in der Fremde arrangiert und waren geblieben. Er aber nicht, nicht er! Auch die Seinen nicht. Sie gaben ihre Hoffnung nicht auf. Sie würden das Eingerissene wieder aufbauen.
Lang ist die Liste der Orte und Zeiten, zu denen die geschilderte Geschichte passen würde. Das biblische Wort aus den Klageliedern ist konkret ein Reflex auf erlittenes Leid im 6. Jahrhundert vor Christus. Jerusalem war der Ort, an dem das geschah. Aber was in grauer Vorzeit passiert war, wiederholt sich leider bis auf den heutigen Tag. Überall dort, wo Krieg oder Bürgerkrieg herrschen, drohen mit den Verheerungen und dem Morden auch die Hoffnungen der Menschen zu sterben.
Doch so unermesslich die Macht der Zerstörung sein mag – sie wird in ihre Schranken gewiesen. Die Hoffnung obsiegt; und mit ihr der unbändige Wille zum Neuaufbau. Deshalb korrespondiert mit der Klage die Bitte um den Beistand des Höchsten. Er ist ein Garant dafür, dass Umkehr und Befreiung möglich sind. Denn dazu ist der Mensch geschaffen: dass er sich aus seinen lebensfeindlichen Bindungen befreie und seinem Nächsten zum Besten diene. In biblischer Perspektive ist das nicht nur so dahingesagt. Es wurde, lange vor Christi Geburt, mit einem Vertrag besiegelt. Der Bundesschluss am Sinai gab den Menschen damals mit den Tafeln des Gesetzes, den 10 Geboten und vielen weiteren Bestimmungen gleichsam einen Kompass an die Hand. Mit diesem Kompass geht keiner mehr nur seinen eigenen Weg, sondern den, der sich von Gottes Barmherzigkeit und Güte inspirieren lässt.
Ich wünsche Ihnen ein gutes Gespür dafür, dass auch der uns verbindende Glaube solch ein Kompass ist, der uns nicht verzagen, sondern hoffen und auf Gottes gutes Geleit vertrauen lässt. So freue ich mich auf gute Begegnungen mit Ihnen in der Zeit, in der ich als Vakanzverwalter in Teltow tätig bin.
Ihr Pfarrer i.R. Wolfram Bürger
„Bin ich nur ein Gott, der nahe ist, spricht der Herr, und nicht auch ein Gott, der ferne ist?“ (Jeremia 23, 23)
Liebe Gemeinde, im ersten Moment mag uns dieser Vers fremd daherkommen: Gott spricht von seiner Nähe und Ferne zu den Menschen. Entspricht es nicht eher unserem Empfinden, besonders seine Nähe zu uns auszudrücken, als von seiner Ferne zu reden?
In vielen Gebeten bitten wir ja geradezu um seine Nähe zu uns: verlass‘ uns nicht,lass’ uns nicht allein, wir brauchen deine Gegenwart. Und erzählt nicht auch Jesus in seinen Gleichnissen von einem Gott der Vertrautheit und redet ihn selbst mit „Abba, lieber Vater“ an? So weit, so vertraut; so weit, so richtig.
Wenn sich Gott allerdings in der Welt umschaut, wird er entsetzt feststellen, wer sich so alles auf seine Nähe zu den Menschen beruft; damals, zu Zeiten des Propheten Jeremias, wie auch heute: Der islamistische Terror etwa, der sich als Kampf gegen die Ungläubigen versteht und Unzählige in den Tod reißt; das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, Kyrill I., das den Krieg Putins gegen die Ukraine als einen „Kampf des Lichts gegen die Finsternis“ segnet; oder, noch gar nicht so lange her, als in früheren Kriegen für „König, Gott und Vaterland“ gestorben wurde. Alle reklamieren die Nähe Gottes für sich, oder besser gesagt: für ihre Zwecke.
Und hier setzt der Prophet Jeremia an: Seine Botschaft öffnet uns auch die ferne, die fremde, die ganz andere Seite Gottes, über die wir nicht verfügen können und dürfen.
Er sprach damals von „falschen Propheten“, vor denen Gott sich eigentlich verstecken müsse, damit er nicht wieder und wieder für deren Zwecke missbraucht wird; so, wie es im Zweiten Gebot heißt: Du sollst den Namen deines Gottes nicht missbrauchen.
Aber liegt darin nicht gerade das Göttliche, das Besondere Gottes? Dass wir uns ganz persönlich an ihn wenden können, ohne ihn für unsere Zwecke zu beanspruchen.
Gott ist für unsere Seele da, nicht für unsere Zwecke!
Es grüßt sie herzlich,
Pfarrer Christoph Noack
„Der HERR heilt, die zerbrochenen Herzens sind, und verbindet ihre Wunden.“ (Psalm 147,3)
Liebe Leser*innen,
Gott sitzt im Himmel, darum herum liegt der Inhalt diverser 1. Hilfe-Koffer verteilt.
Rechts stapeln sich Mullbinden und Kompressen, daneben ein fast ebenso großer Haufen Pflaster als Meterware oder schon passend zurechtgeschnitten, in Beige und mit bunten Einhörnern oder Dinos. Scheren, Einmalhandschuhe, Dreieckstücher und Rettungsdecken liegen dazwischen verstreut. Der Berg ist hoch, denn schließlich muss das Verbandsmaterial für die Wunden der ganzen Welt reichen. Aufgeschürfte Knie und Kochunfälle, die Platzwunde am Kopf, weil wieder mal jemand vom Baum gefallen ist, die Wunden von den herabfallenden Trümmern während eines Erdbeben oder Kriegsverletzungen müssen versorgt werden.
Das Leben fügt den Menschen ganz schön viele Verletzungen zu, denkt Gott. An manchen sind sie selber schuld, für andere können sie gar nichts. Und vor allem fügen sie sich gegenseitig ganz schön viele Wunden zu. Manche davon bluten und andere sieht man ihnen gar nicht an. Bei manchen reicht ein Pflaster, andere lassen sich nur mit viel Geduld und Zeit oder gar nicht heilen. Narben hinterlassen aber die meisten. An Körper oder Seele oder beidem. Zerbrochene Herzen aus Trauer, aus Enttäuschung, verlorener Liebe oder Wut oder weil sie den Krieg gesehen haben. Menschenleben besteht nicht nur aus dem, was heil und ganz ist.
Da brauchen sie Hilfe. Meine Hilfe.
Aus einem der 1. Hilfe-Koffer hat Gott eine Broschüre herausgeholt und liest sie sorgsam durch. Was da nicht alles drinsteht an wichtigen Informationen. Wie man bei Notfällen 1. Hilfe leisten kann und dass die ersten Minuten entscheidend sind. Wie man einen Druckverband anlegt, wie die stabile Seitenlage funktioniert oder die Herzdruckmassage.
Gott ist gut vorbereitet. Es ist genug Verbandsmaterial da, um alle Wunden sorgfältig zu verbinden, damit sie heilen können. Und das Heft mit den ganzen Tipps hilft auch weiter. Ganz am Ende der Broschüre steht noch geschrieben: Genauso wichtig wie eine lebensrettende Maßnahme oder eine Wundversorgung ist die psychische Erste Hilfe. Sie wirkt positiv auf den seelischen und körperlichen Heilungsprozess.
Nicht nur Mullbinden und Pflaster sind notwendig, sondern offene Ohren, Geduld und viel Zeit. Zeit für Geschichten, Zeit Wege zurück in die Vergangenheit zu gehen, aber dann auch wieder in den Alltag zurück.
Der Herr heilt, die zerbrochenen Herzens sind, und verbindet ihre Wunden. Ja, das lässt sie hoffen. So können sie leben, meine Menschen, denkt sich Gott und macht sich auf den Weg.
Herzliche Grüße
Ihre/eure Pfarrerin Juliane Lorasch
„Mose sagte: Fürchtet euch nicht! Bleibt stehen und schaut zu, wie der Herr euch heute rettet!“ (2. Mose 14, 13)
Liebe Gemeinde,
sich bei seiner eigenen Rettung zuschauen! Dies hört sich seltsam an und klingt zugleich ganz wunderbar.
Wer spräche nicht gerne von Rettung? Wer spräche nicht gerne davon, keine Furcht zu haben?
Es ist Mose, der (wieder einmal) zum Volk Israel reden muss, damit es Vertrauen gewinnt auf dem langen Weg ins verheißene Land, zugleich in eine unbekannte Zukunft. Die Israeliten wissen so gut wie nichts von dem, was sie erwartet; sie wissen nur, dass ihre Lage in Ägypten als Sklaven in der Ziegelherstellung unerträglich geworden war. Als der Pharao die Israeliten ziehen ließ, merkte er bald, dass er seine Sklaven verliert und verfolgte sie dann; er bläst zur Sklavenjagd; in seinem Starrsinn bleibt er sich treu.
Eine ganz andere Treue erfährt Mose durch Gottes Beistand: auf dem Weg nach Israel wird klar, dass dieses Volk auch ohne Staat und König eine Zukunft hat. Nachdem es Vorwürfe gegen Mose hagelte und viele Israeliten murrten, sie würden lieber wieder den Ägyptern dienen, als in der Wüste zu sterben, nahm Mose seine ganze Kraft zusammen und sagte ihnen die Worte der bevorstehenden Rettung trockenen Fußes durchs Schilfmeer zu. Die ägyptischen Verfolger versanken in den Fluten; nach jüdischer Überlieferung wollten schon die Engel ein Freudenlied darüber anstimmen, doch Gott gebot ihnen zu schweigen: es gab Tote, viele Tote. Auch im himmlischen Hofstaat ließ Gott auf Halbmast flaggen. Darüber konnte er sich nicht freuen.
Blicke ich in diesen Tagen nach Israel-Palästina, so wollen Wut, Trauer, Entsetzen nicht enden. Wie klingen dort die Worte von der Rettung am Schilfmeer? Gott, ich hoffe auf dich und deine Rettungstat, dass dereinst ein Zeitalter anbricht, in dem weniger vom eigenen Sieg geredet wird, als vielmehr gemeinsam die Toten zu betrauern, Verletzte zu heilen und Verschleppte freizulassen.
Es grüßt Sie Ihr Christoph Noack
Liebe Leser*innen, ganz schön große Worte sind das „Alles ist mir erlaubt.“ Ganz schön viel Freiheit steckt in so wenigen Worten. Freiheit ist ein hohes Gut. Jeder Mensch hat das Recht auf Freiheit. Als Christ*innen glauben wir an einen Gott, der ein ganzes Volk in die Freiheit geführt hat. Wie schmerzhaft kann es sein, wenn dieses Recht beschnitten wird.
Alles ist erlaubt. Ganz schön viel Freiheit steckt in so wenigen Worten. Doch dieser kleine Satz kann schnell nach hinten losgehen. Denn mein Recht auf Freiheit hat seine Grenze beim Recht auf Freiheit der anderen. Auch sie haben ein Recht darauf ihr Leben nach ihren Vorstellungen zu gestalten. Lässt man das außer Acht, kann das trotz bester Absichten paradoxerweise zur Diktatur werden.
Ich schreibe diese Gedanken auf unserer Konfi-Fahrt in Wittenberg Anfang April.
Wie sollte es in Wittenberg auch anders sein, sind wir natürlich auf den Spuren Martin Luthers und der Reformation unterwegs. Gerade haben wir den Film „Luther“ aus dem Jahr 2003 gesehen.
Auch Martin Luther hat sich mit dem Thema „Freiheit“ beschäftigt. Am eigenen Leib und Seele hat er erlebt, was es bedeutet, immer unter Druck zu stehen, bestimmte Gesetze und Gebote Gottes zu erfüllen und in permanenter Angst vor Gottes Strafe zu leben. Wie (innerlich) befreiend war es für ihn, als er erkannte, dass er wie alle Menschen durch Christus vor Gott gerechtfertigt ist, ohne sich diese Rechtfertigung oder Anerkennung erst durch sogenannte gute Werke erarbeiten zu müssen.
Doch gerechtfertigt sein aus Gottes Gnade bedeutet nicht, dass es Gott egal ist wie wir leben. Das Bewusstsein dieser Freiheit verändert das Verhältnis des Menschen zu Gott, sich selbst und den Nächsten. Für seine Freiheit braucht der Mensch die guten Werke nicht, sondern sie ergeben sich aus dieser Freiheit. Christ*innen sind dazu aufgerufen, ihre Handlungen vor dem Hintergrund der Liebe zu Gott und zum Nächsten zu reflektieren und sich ihrer Verantwortung bewusst zu sein. Es geht darum, die Freiheit so zu nutzen, dass sie hilft und nicht schadet, denn wie Paulus seinen Satz weiterführt: „aber nicht alles dient zum Guten.“
Herzliche Grüße
Eure/Ihre Pfarrerin Juliane Lorasch
Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die euch erfüllt. (1. Petrus 3, 15)
Liebe Gemeinde, lässt sich Hoffnung befehlen?
Nun, auf diese Scheinfrage mag es nur eine ebensolche Scheinantwort geben: Nein, natürlich nicht.
Nichts in unserem Leben lässt sich befehlen; dafür sind wir Menschen und keine Maschinen oder Roboter. Weder Zuversicht noch Trauer, noch Hoffnung, noch Hoffnungslosigkeit können wir wie im Handumdrehen ausführen.
Alles, was wir in unserem Leben an Emotionen mit uns herumtragen, muss wachsen und braucht Zeit.
War das auch dem Schreiber unserer Zeilen klar? Die Hörer dieses Verses, Gemeindeglieder und Apostel, könnten sich überfordert gefühlt haben. Von welcher Hoffnung sollten sie erzählen, angesichts von Verfolgung, Demütigungen, Anfeindungen an sie als junge Christengemeinschaft im ersten Jahrhundert? War das der Lohn für ihre Treue zum neuen Glauben, für ihre Sehnsucht nach einer besseren Welt?
Wenn wir uns an die Zeit Jesu mit den Jüngern erinnern, so gilt aber auch dies: Jesus hat seinen Jüngern und Begleitern nie etwas befohlen nach der Devise: ‚Nun glaubt und hofft mal schön!‘
Vielmehr hat er sie eingeladen, Hoffnung zu schöpfen aus dem Weg, den Gott bereits mit ihnen gegangen ist; er hat eingeladen, an einer besseren Welt mitzubauen; er hat sie eingeladen, die Sorgen und Ängste ihrer Mitmenschen ernst zu nehmen und dabei Gott an ihrer Seite zu wissen.
So sind auch wir eingeladen, diesen Weg zu gehen. Lassen wir uns dabei hineinnehmen in den Weg, den die Emmausjünger einst gegangen sind: traurig und ohne Hoffnung sind sie von Jerusalem aufgebrochen; auf dem Weg vergewisserten sie sich der Botschaft Jesu und spürten seine Gegenwart. Später konnten sie dann von ihrer Hoffnung erzählen.
Ich meine: die Welt wartet auch auf uns als Christen auf eine Hoffnungserzählung auf eine bessere Welt; selten war sie so nötig wie heute.
Es grüßt Sie herzlich, Ihr Christoph Noack
Liebe Leser*innen,
früh am Morgen machen sie sich auf. Sie können einfach nicht anders. Maria, Salome und die andere Maria können nicht einfach in ihren Alltag zurückkehren nach all dem, was geschehen ist. Sich verkriechen, sich ihrer Trauer überlassen und hoffen, dass sie bald aus diesem Albtraum aufwachen, können sie aber auch nicht. Sie müssen etwas tun. Also packen sie das Salböl ein, um ihn zu salben und ihm noch ein letztes Mal etwas von der Liebe zurückzugeben, die er so vielen anderen Menschen geschenkt hat. Bei Morgendämmerung machen die drei Frauen sich auf, ohne groß nachzudenken, wie sie den Stein vorm Grab wegbekommen sollen. Und dann plötzlich die Erkenntnis: Der Stein ist weggerollt. Das Grab ist leer. Ein Engel, der sagt: „Entsetzt euch nicht. Er ist nicht hier. Er ist auferstanden.“ und genau das Gegenteil bewirkt, denn das Entsetzen ist groß.
Die Frauen fliehen und erzählen erstmal niemandem von ihrem Erlebnis. Abgesehen von der Trauer steckt ihnen nun auch noch die Angst in den Knochen. Was da passiert ist, kann man mit menschlichem Verstand ja auch gar nicht begreifen oder einordnen. Ein leeres Grab ist unbegreiflich und verstörend. Es hinterlässt eine Leerstelle. Nicht mit österlicher Freude über die Auferstehung, sondern mit Zittern und Entsetzen endete ursprünglich die Erzählung über Jesus im Markusevangelium.
Die beiden Marias und Salome sagen aus Furcht kein Wort zu niemandem. Es scheint ein frag- oder zumindest merkwürdiger Schluss für ein Buch zu sein, das doch die frohe Botschaft verbreiten möchte. Natürlich wissen wir, dass die Osterbotschaft nicht verschwiegen und vergessen wurde. Sonst würde ich diese Worte heute nicht schreiben. Im 2. Jahrhundert wurden an das Markusevangelium noch ein paar weitere Verse angefügt, die davon berichten, wie Jesus seinen Jüngern erschienen ist und die drei Frauen ihre Angst überwunden haben. Wer auch immer diese Verse geschrieben hat, hat damit wohlmöglich genau das getan, was der Evangelist Markus mit seiner offen bleibenden Erzählung von den Ereignissen beabsichtig hatte. Nämlich, dass wir von unserer Auferstehungshoffnung und davon, wo Gott in unserem Leben unser Zittern und Entsetzen vertrieben hat, weitererzählen.
Denn wenn wir die Osterbotschaft nicht weitererzählen, bleibt es bei Angst und Schrecken. Nur durch das Weitererzählen kann die Nachricht unter die Menschen kommen, dass der Tod nicht das Ende ist. Darum rufen wir es uns jedes Jahr wieder zu: Der Herr ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden. Halleluja.
Herzliche Grüße Ihre/eure Pfarrerin Juliane Lorasch
Liebe Gemeinde,
als ich meine erste Lateinstunde in der 9. Klasse hatte, gab uns der Lehrer als Hausaufgabe mit, herauszufinden, wo und von wem eigentlich die Schriftsprache erfunden wurde. Das Ergebnis meiner Recherche war, dass die alten Phönizier so etwas wie eine Schriftsprache und ein Alphabet entwickelt hatten. Hintergedanke unseres Lateinlehrers war, dass wir den Stolz und die Freude über diese Erfindung ein wenig nachempfinden sollten: eine Kulturtechnik, mehrere tausend Jahre alt, und doch, gemessen an der Existenz des Menschen, noch so jung.
Aber: mit Buchstaben und Schrift lassen sich Worte und Inhalte festhalten; sie sind nicht mehr von der mündlichen Weitergabe abhängig. Sie sind, im besten Sinne des Wortes, „in Stein gemeißelt“, auf ewig nachzulesen.
So oder so ähnlich muss es Mose ergangen sein, als er am Berg Sinai von Gott die Gebote für das Volk Israel bekam: nicht mehr nur erzählt, weitererzählt, verändert usw. Jetzt waren sie ihm auf Steinplatten übergeben worden; endlich konnte er mit dieser Schrift dem Volk gegenübertreten und voller Stolz nun die Tafeln jubelnd in die Höhe halten: Hier steht geschrieben, was Gott uns gibt! Er gibt uns seine Weisung, seine Gebote! Und eine gewaltige Zusage dazu: Ich bin euer Gott und ihr sollt mein Volk sein. Nun hatte er es buchstäblich in den Händen.
Nicht ohne Grund sehen sich Judentum, Christentum und Islam als Schriftreligionen. Eine Heilige Schrift als Ort der Vergewisserung im Glauben und im Leben. Hin und wieder fragen mich Schüler im Religionsunterricht, ob ich schon die ganze Bibel durchgelesen hätte. Kurz überlege ich dann, warum sie mich das fragen; hätten sie Hochachtung vor einem, der so ein dickes Buch geschafft hat? Oder soll es eine Vergewisserung darüber sein, dass ich mich in der Bibel auskenne? Wie dem auch sei, es tut gut, die Heilige Schrift zu haben, die nicht alle Jahre verändert oder dem Zeitgeist angepasst wird.
Daran knüpft auch der Vers aus dem Zweiten Timotheusbrief an: ich kann mich vergewissern über das, worauf es wirklich ankommt im Glauben. Ich bin dabei nicht von Gerüchten oder Erzählungen Anderer abhängig.
Ich wünsche uns, dass jeder sagen kann: die Bibel und ich, wir sind ein tolles Team.
Es grüßt sie herzlich, Ihr Christoph Noack
„Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.“ So lautet die Jahreslosung für das Jahr 2024. Der Apostel Paulus hat diese Worte ganz am Ende seines Briefes an die Gemeinde in Korinth geschrieben. Paulus schreibt gerne über die Liebe. Sein Hohelied der Liebe ein paar Kapitel vorher ist weltberühmt.
„Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.“ Mein erster Impuls lautet: „Ja, klar. Logisch. Ohne Liebe ist ja schließlich alles nichts.“ Der zweite: „Das hört sich nach ganz schön viel an. Alles und in Liebe.“ Große Worte sind das. Vielleicht zu groß. Auf jeden Fall ziemlich herausfordernd. Paulus weiß, wie schwierig, aber auch wie wichtig das mit der Liebe ist. Nach allem, was wir über die Gemeinde in Korinth wissen, herrschte dort nicht immer eitel Sonnenschein. Ganz im Gegenteil. Die Menschen waren einfach sehr unterschiedlich. Unterschiedliche Herkunft, unterschiedliche Traditionen, unterschiedliche Meinungen usw. erzeugen automatisch Zündstoff und Paulus muss in seinem Brief einiges klarstellen. Vielleicht redet er deshalb auch so viel von der Liebe, weil er weiß, dass wir Menschen einen großen Bedarf an Liebe haben.
„Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.“ Das meint aber nicht, über alles und jeden Konflikt das Deckmäntelchen der Liebe auszubreiten, damit bloß nichts mehr davon zu sehen ist. Das ist unehrlich und auch Paulus tut das gerade nicht, sondern spricht die Probleme und Missstände an. Das tut er aus einer bestimmten Grundhaltung heraus, die ein Interesse am Anderen hat, die sagt: „Ich will Gutes für dich und nicht Böses. Mir ist es nicht egal, wie es dir geht. Und ich will, dass du Liebe erfährst so wie ich.“ Das ist das Geheimnis an der ganzen Sache, dass ich mich selbst geliebt fühle. Nicht unbedingt von meinem Gegenüber, oder gar von allen Menschen, denn das ist unrealistisch, aber von Gott geliebt. Tatsächlich ist Gottes Liebe auch der einzige Grund, warum die Menschen miteinander in einer Gemeinde bleiben. Denn manchmal ist das Gegenüber einfach schwer zu ertragen. Doch für Gott sind diese Worte nicht zu groß. So müssen wir gar nicht alles und noch dazu in unserer Liebe tun, sondern in seiner, in Gottes Liebe.
Eine gesegnete Advents- und Weihnachtszeit und einen guten Rutsch ins kommende Jahr wünscht
Ihre und eure Pfarrerin Juliane Lorasch
Liebe Gemeinde,
ich stelle mir den Mann Hiob vor, wie er mit diesen Worten seine Arme ausbreitet, den Kopf nach oben reckt und wie ein Prophet seine Stimme erschallen lässt; kraftvoll und voller Überzeugung. Jedenfalls werden ihm diese Sätze im gleichnamigen alttestamentlichen Buch in den Mund gelegt.
Dabei hätte dieser Hiob zunächst allen Grund gehabt, am Leben zu verzweifeln, sich ins stille Kämmerlein zurückzuziehen und innerlich zu verkrümmen. Denn Gott hat sich, so die Erzählung, auf eine Wette mit seinem Widersacher eingelassen, welcher die Gottestreue Hiobs in Zweifel zog. Der Teufel stellte nämlich die Frage: Ist Hiob auch dann noch gottestreu, wenn es ihm schlecht geht, er alles verliert?
So ließ es Gott zu, dass Hiob auf eine harte Probe nach der anderen gestellt wurde: er wurde schwerkrank, seine Kinder starben, er verlor sein gesamtes Vieh, sprich: seinen ganzen Besitz. Dann trat auch noch seine Frau auf und riet ihm, jetzt wäre doch der Moment gekommen, Gott abzuschwören.
Doch: was hätte es Hiob gebracht, wenn er bei allen Schicksalsschlägen auch noch die Verbindung zu Gott unwiderruflich gekappt hätte? Er hätte dann auch seine Seele verloren, hätte aber weiterleben müssen, aschfahl, ein psychisches Gerippe, ein Gespenst seiner selbst. Das Leben wäre ihm zum Fluch geworden.
In diesem Moment macht ihm Gott klar:
Du, Hiob, bist nicht das Zentrum des Universums; dein Kummer, dein Ungemach sollen nicht dein Taktgeber sein! Sie sollen deine Seele nicht kapern! Lass deinen Kummer und dein Klagen nicht zu deiner zweiten Natur werden!
Irgendwo las ich einmal den Satz: ‚Es gibt Menschen, die sind nur glücklich, wenn sie unglücklich sind.‘ Klingt erstmal seltsam, könnte aber zu einem Hiob passen, der aus der Klage nicht mehr herausfindet.
Dagegen stelle ich mir mit den obigen Versen nun einen Hiob vor, der hinter der nächsten Ecke eben nicht weiteres Ungemach oder einen willkommenen Anlass zu neuerlicher Klage findet, sondern seine Seele offen lässt für kleine und große Spuren des Glücks, des Lächelns, der Zuwendung durch seinen Nächsten.
Es grüßt Sie herzlich, Ihr Christoph Noack
Liebe Gemeinde,
am Ende des ersten Jahrhunderts, in Alexandrien, Ägypten: hier wie an vielen Orten des Römischen Reiches breitet sich der Christusglaube aus; mal offen, mal heimlich, auf jeden Fall aber rasant in allen Winkeln des Mittelmeerraumes; und das seit etwa zwei Generationen. Was machte diesen Glauben so attraktiv für viele Menschen, egal welchen Alters, welcher Herkunft oder sozialer Schicht? War es die Gewissheit, dass der Messias nun gekommen ist? War es eine Gemeinschaft, die nicht ausgegrenzt, sondern eingeladen hat, ob krank oder gesund? War es die selbstverständliche Unterstützung der Armen in den Gemeinden?
Mitten im Jahre 2023, Deutschland: an vielen Orten breitet sich eine Sehnsucht nach Empathie, nach echter Gemeinschaft und Hilfe für Andere aus; mal öffentlichkeitswirksam durch Spendengalas, mal im Verborgenen, diskret und unmittelbar: dort, wo Menschen Verzweifelte aufrichten, Trauernde trösten, Kranke besuchen, Sterbende begleiten, auf Palliativstationen und in Hospizen. Was macht diese Dienste so „attraktiv“? Eine Herausforderung sind sie allemal. Auch viele Ehrenamtliche wollen sich dort engagieren.
Ich finde den Ausspruch aus dem Jakobusbrief ein wenig ungerecht. Er unterstellt, dass es nur diese Alternativen gibt: Hörer oder Täter des Wortes zu sein. Etwas schränkt er dieses Entweder-Oder allerdings selbst ein: seid nicht allein Hörer des Wortes. Beides gehört zusammen.
Menschen, die sich in den Heilungen Jesu im Neuen Testament wiederfinden, können nicht nur Zuhörer dieser Geschichten bleiben. Sie nehmen Anteil am Schicksal ihrer Mitmenschen, schauen nicht weg, grenzen nicht aus, sondern laden ein, zeigen Mitgefühl; kurzum: sie sind Täter des Wortes.
Es grüßt Sie herzlich, Ihr Christoph Noack
Liebe Gemeinde,
in der achten Klasse im Religionsunterricht stellen sich die Schüler einen Steckbrief von Jesus zusammen. Da gibt es auch eine Rubrik „Wie er sonst noch genannt wurde“. Aufgabe ist es nun, aus dem Neuen Testament alle Titel und Anreden Jesu zusammenzutragen. Meist sind wir dann beeindruckt über die vielen Möglichkeiten, Jesus anzureden: Meister, Herr, Rabbi, einer der Alten Propheten, Johannes der Täufer, usw.
Jesus selbst allerdings dürfte von diesen vielen Anreden nicht beeindruckt gewesen sein. Im Gegenteil: es dürfte ihn geärgert haben. Schade, könnte man meinen. Hätte er nicht stolz darauf sein können, mit wem seine Zeitgenossen ihn alles verglichen haben? Eine beeindruckende Liste!
Wenn jeder von uns heute seine Zeitgenossen befragen würde, wer wir seien, so könnten wir sie damit in Verlegenheit bringen oder wir würden vielleicht überraschende Antworten bekommen. Wer bin ich? Wie sehen mich die Anderen? In jeder Gruppe (Familie, Schulklasse, Team) sind diese Fragen gegenwärtig; sichtbar und unsichtbar, ausgesprochen und unausgesprochen.
Auch im Leben Jesu blieb manches ungesagt und unausgesprochen, was seine eigene Existenz betraf. Viele hörten nur gerüchteweise oder aus zweiter und dritter Hand von ihm; klar, dass dadurch einiges undeutlich blieb. Wer war dieser Mann? Was wollte er? Rätselraten mancherorts.
Dabei wollte Jesus mit seinem Leben und Wirken genau das Gegenteil erreichen: Dass seine Jünger endlich klarsehen, wer er sei. Von ihnen wollte er es nun wissen: wer sagt denn ihr, dass ich sei? Es blieb Petrus vorbehalten, für Klarheit zu sorgen: „Du bist der Christus, Sohn des lebendigen Gottes!“, so antwortet dieser.
Diese Klarheit tut gut! Sie weist uns auf die Existenz und Botschaft Jesu hin, ohne Wenn und Aber. Wir sind eingeladen, die Botschaft Jesu weiterzutragen, in aller Klarheit.
Es grüßt Sie herzlich, Ihr Christoph Noack
Liebe Leser*innen!
Die zwei Sessel im Wohnzimmer werden zu Wänden, darüber ein paar große Decken oder Bettlaken als Dach fachmännisch mit Wäscheklammern zusammengehalten. Ein kleiner Schlitz als Eingang, den man schon suchen muss. Für die Einrichtung Kissen, Kuscheltiere, Taschenlampe und das Lieblingsbuch und natürlich eine Packung Gummibärchen.
Eine Höhle bauen, sich darin verkriechen und das kleine Glück genießen. Überall auf der Welt spielen Kinder gerne mit und in selbstgebauten Höhlen. Drinnen und draußen. Sie schaffen sich so ein eigenes kleines Reich zum Zurückziehen, ihr Zuhause im Zuhause, einen Zufluchtsort, wenn es mal wieder Krach mit den Eltern oder Geschwistern gab oder sie sich das Knie aufgeschlagen haben. Aber auch einfach so, weil es sich gut anfühlt. Kinderseelen brauchen solche Höhlen, wo sie sich zurückziehen und wieder ins Gleichgewicht kommen können. Aber nicht nur sie. Es zählt zu den Grundbedürfnissen des Menschen, sich einen geschützten Raum um sich herum zu schaffen, einfach mal aus dem Alltag herauszutreten, Geborgenheit zu spüren und sich sicher gegen die Außenwelt abzuschirmen, erst recht, wenn um einen herum gerade alles schwierig ist.
David, der spätere König, dem der Psalm zugeschrieben wird, aus dem der Monatsspruch für August entnommen ist, hat das selbst erfahren. Verfolgt von seinem Gegner König Saul flieht er in die Wüste. Dort muss er sich verstecken, sich sammeln und überlegen, wie er diesen Konflikt auf Leben und Tod überstehen kann. Die lebensfeindliche Wüste war definitiv nicht der beste Ort, um sich eine gemütliche Höhle zu bauen. Trotzdem findet David dort seinen Zufluchtsort. Es ist keine Höhle gebaut aus Wohnzimmersesseln, Bettlaken und Wäscheklammern ausgestattet mit kuscheligen Kissen. Es ist eine Höhle gebaut aus Gedanken und Gebeten, gebaut aus seinem Vertrauen auf Gott, seine Glaubenshöhle. Gott selbst ist ihm zu solch einem Zufluchtsort geworden.
Vielleicht überlegt ihr/überlegen Sie mal, was eure/Ihre eigenen Zufluchtsorte oder Glaubenshöhlen sind. Das können ganz konkrete Orte sein. Wenn man sie betritt, spürt man gleich eine andere Atmosphäre, wird ruhiger. Vielleicht ist es aber auch ein Spaziergang im Wald oder am Wasser, der einen im wahrsten Sinne des Wortes erdet, oder ein bestimmtes Lied oder Gedicht. All das und noch vieles mehr kann einen für den Moment aus dem Alltag herausnehmen.
Herzliche Grüße
Eure/Ihre Pfarrerin Juliane Lorasch
Liebe Leser*innen,
mit unseren Konfirmand*innen haben wir kurz vor der Konfirmation über den Segen gesprochen, schließlich werden sie im Konfirmationsgottesdienst ja alle gesegnet. „Was ist das?“ und „Macht das Sinn oder kann das weg? Brauche ich das überhaupt?“ waren die Fragen. „Gute Wünsche.“ und „Dass es mir gut geht in meinem Leben.“ „Klar, brauche ich das.“ waren die Antworten.
Segnen und gesegnet werden durchzieht die ganze Bibel, und der Segen gehört am Ende jedes Gottesdienstes dazu. Ohne Segen geht es nicht. In besonderen Lebenssituationen sprechen Menschen einander den Segen Gottes zu. Sie bitten Gott, dass er einem Menschen alles erdenklich Gute schenken möge. Dabei geizt man natürlich nicht mit seinen guten Wünschen. Dass Menschen einander segnen, war schon zu Zeiten des Alten Testaments so. Der Monatsspruch für Juni ist ein gutes Beispiel dafür. Es ist der Anfang des Segens, den Isaak seinem Sohn Jakob zuspricht. Er segnet Jakob und wünscht ihm das Beste, was man sich zu seiner Zeit vorstellen konnte: Reichlich Regen und gute Ernte, damit er nie hungern oder Durst verspüren muss. Segen für ihn und alle seine Nachkommen.
Die Jakobsgeschichte erzählt, wie wichtig der Segen für Menschen sein kann. Denn eigentlich steht dieser Segen nicht Jakob, sondern seinem älteren Bruder Esau als Erstgeborenem zu. Darum erschleicht sich Jakob den Erstgeburtssegen von seinem blinden Vater mit einer List. Seine Zukunft und die seiner Nachkommen und nicht Esaus stehen unter Gottes Wohlwollen.
Sein betrogener Bruder ist verständlicherweise wütend und enttäuscht. Er kommt zu spät. Der Segen ist bereits an einen anderen weitergegeben worden. Verzweifelt wendet er sich an seinen Vater Isaak. Doch er kann denselben Segen für den Erstgeborenen nicht zweimal spenden. Stattdessen bekommt Esau seinen eigenen Segen, und Isaak sagt ihm Versöhnung mit seinem Zwillingsbruder zu. Jakob bleibt erstmal nur die Flucht. 20 Jahre lang werden die beiden Brüder sich nicht wiedersehen. Sie gehen getrennte Wege, führen getrennte Leben. Eins aber verbindet die beiden: Ihnen sind die Worte wichtig, die ihnen zugesagt werden. Sie glauben und vertrauen auf die Kraft des göttlichen Segens.
Einen gesegneten Tag wünscht
Eure/Ihre Pfarrerin Juliane Lorasch
Liebe Gemeinde,
wer fühlt sich nicht angesprochen von Bildern mit zerstörten Häusern im Krieg oder von ganzen Stadtteilen, die durch Erdbeben oder Überschwemmungen dem Erdboden gleichgemacht wurden? Die Flutkatastrophe 2021 im Ahrtal, Russlands Krieg gegen die Ukraine oder das Erdbeben in Syrien und der Türkei - all dies und noch viel mehr berührt und bedrückt uns. Oft genug fühlen wir uns hilflos.
Da sind Spendenkonten oder Benefizveranstaltungen für uns eine Möglichkeit, zu helfen. Auch die Kollekten, die wir in jedem Gottesdienst sammeln, sollen helfen, sollen Not lindern, Hilfsprojekte ermöglichen. Und unser Sozialstaat ermöglicht es, die elementaren Lebensrisiken und Bedürfnisse eines jedes Einzelnen durch Unterstützung abzusichern.
All diese Möglichkeiten gab es in der Antike so nicht, in der Zeit, aus der unser Text aus dem Alten Testament stammt. Wer seinen Lebensunterhalt nicht durch eigene Arbeit verdienen konnte, war auf die Familie angewiesen. Wenn auch die ausfiel, blieb nur das Betteln übrig. Daher gelten Witwen und Waisen im Alten Testament als die typischen Vertreter der Armut. Genau für die aber ergriff Gott Partei und erwies sich als deren Anwalt, verbunden mit der Ermahnung an die ganze Gesellschaft: Vergesst die Armen unter euch nicht, achtet ihre Rechte! Auch sie sind Gottes Geschöpfe, nach seinem Ebenbild erschaffen.
Wir halten noch einen anderen Schatz in uns bereit, von dem wir abgeben, und spenden, mit dem wir helfen können: Unsere Lebenserfahrung, unsere Ideen, unsere Talente, unseren Rat, unsere Zuwendung für Andere. Manchmal können Worte mehr helfen als Geld; manchmal ist ein Besuch mehr wert als eine Spende; manchmal warten Menschen mehr auf Anerkennung und Wertschätzung als auf ein teures Geschenk. Gott hat jedem Einzelnen von uns nicht nur einen Wert und Würde gegeben, er hat uns auch die Gabe gegeben, für die Würde anderer einzutreten und uns dem Anderen zuzuwenden, quasi umsonst, gratis!
Es grüßt sie herzlich Ihr Christoph Noack
Liebe Leser*innen,
„Christus ist gestorben und lebendig geworden, um Herr zu sein über Tote und Lebende.“ Diese Worte scheinen am ehesten zu einer Beerdigung zu passen. Vielen Menschen geben sie Trost, wenn sie am Grab eines geliebten Menschen stehen und sich verabschieden müssen.
Erstaunlicherweise schreibt der Apostel Paulus sie aber in einem ganz anderen Zusammenhang. Es gibt nämlich Streit und Spaltungen in der römischen Gemeinde, weil man bestimmte Dinge unterschiedlich sieht. Es geht v.a. darum, was man essen darf und was nicht. Das scheint so ein großes Problem zu sein, dass Paulus in seinem Brief darauf eingehen muss. Irgendwie beruhigend und beunruhigend zugleich, dass schon die ersten Christ*innen ganz genauso wie wir mit Spaltungen und Streitereien zurechtkommen mussten. Auch wenn die Streitthemen sich natürlich über die Jahrhunderte hinweg verändert haben. Paulus ermahnt die Streithähne in seinem Brief zu einem Perspektivwechsel. Schaut nicht mehr darauf, wer welche Vorstellungen und Meinungen zu einem bestimmten Thema hat. Lasst eure Gedanken nicht ständig darum kreisen, wer jetzt Recht und wer Unrecht hat. Teilt euch nicht ein in Rechtgläubige und Ungläubige. Es geht nicht um richtige oder falsche Meinungen, auch wenn es in Glaubensdingen manchmal schwerfällt, die andere Ansicht neben der eigenen stehen zu lassen. Schaut stattdessen darauf, was ihr gemeinsam habt. Und das ist Jesus Christus, an den ihr alle glaubt. Der ist sogar Herr über die Lebenden und die Toten. Zwei Gruppen, die ja nun unterschiedlicher kaum sein könnten, getrennt von der schier unüberbrückbaren Grenze zwischen Leben und Tod, werden durch ihn vereint. Das baut eine Brücke zwischen den Menschen auch über unterschiedliche Meinungen und Streitereien hinweg.
Im Blick auf Christus können also die römischen Christ*innen ihren Streit überwinden. Im Blick auf Christus können auch wir offen aufeinander zugehen, egal wie unterschiedlich wir sind oder denken oder glauben.
Herzliche Grüße
Ihre/eure Pfarrerin Juliane Lorasch
Liebe Gemeinde,
starke Worte, die der Apostel in seinem Römerbrief hier schreibt: Angst, Verfolgung, Hunger usw. Das ist das Schlimmste, was einem Menschen widerfahren kann; Gefühle und Gefahren, vor denen keiner ausweichen oder weglaufen kann. Und es sind ja nicht nur Worte, die Paulus hier verwendet; es ist ja alles real, damals wie heute.
Paulus schreibt den Brief zu Zeiten des Kaisers Nero. Er wusste nur zu gut, mit welchen Gefahren es die Christen in Rom zu tun haben würden. Da waren Trübsal und Angst vielleicht noch die weniger schlimmen Situationen. Nach dem Brand der Stadt Rom, den Nero den Christen in die Schuhe schob, begannen blutige Verfolgungen der Christen.
Paulus redet die Zustände nicht schön, er verharmlost sie nicht. Er gibt auch keine halbherzigen Tipps zum Durchhalten; wie sollte er auch? Wenn Menschen an Leib und Leben bedroht sind, scheiden gut gemeinte Ratschläge aus; ich bin ja nicht gefährdet, nicht bedroht. Die Bedrohungen schienen weit weg zu sein – wirklich? Das Erste, was Paulus seinen Geschwistern übermittelt: ich leide mit euch, ich ahne und spreche aus, in welcher Gefahr ihr euch befindet. Ich beschönige nichts. Eine Mitschuld an den Zuständen für Christen in Rom hat Paulus beileibe nicht; aber er fühlt sich mitverantwortlich. Wie kann er helfen? Wie kann er trösten? Er rückt den ins Zentrum, der finstere und grausame Tage durchlebt hat. Und ausgerechnet von diesem Jesus Christus erzählt Paulus, dass dieser die Menschen auf eine unvorstellbare Weise geliebt hat. Er, der Menschen von ihren dunklen Seiten erlebt hat, sie aber auch in ihren dunklen Stunden begleitet hat.
Vielleicht kann tatsächlich nur einer wie Jesus eine liebende Kraft ausstrahlen, weil er selbst durch dunkelste Zeiten gegangen ist. Vielleicht wirken nur seine Worte so echt, weil er sich um Menschen in allen Situationen gekümmert hat. Und wahrscheinlich haben nur so die Christen in Rom dem Paulus dessen Worte abgenommen: ich selbst kann euch nicht viel helfen, aber ich leide mit euch, und ich blicke zusammen mit euch auf den, der unser letzter und tiefster Tröster ist; von ihm bleiben wir ungetrennt.
Es grüßt sie herzlich, Christoph Noack
Liebe Leser*innen,
die Jahreslosung für 2023 „Du bist ein Gott, der mich sieht.“ steht am Anfang der Bibel. Es sind Worte der ägyptische Sklavin Hagar. Sie befindet sich in einer komplizierten Dreiecksgeschichte mit Abram und Sarai, die wir später als Abraham und Sarah kennen. Sarai kann Abram nicht den gewünschten Stammhalter gebären. So muss Hagar als Leihmutter herhalten, ob sie will oder nicht. Sie steht in der Hierarchie ganz unten, muss tun, was andere ihr befehlen. Die schwangere Hagar versucht auszubrechen und wehrt sich, denn sie hat etwas, was Sarai nicht hat. Sie trägt den Stammhalter in ihrem Bauch. Sarai beschwert sich bei Abram, der allerdings keine Lust hat auf den Streit der beiden Frauen und sich heraushält. „Sie ist dein Problem. Mach mit ihr, was du willst.“ Sarai sitzt am längeren Hebel und demütigt Hagar bis diese es nicht mehr aushält und in die Wüste flieht. Dorthin, wo man eigentlich nur noch sterben kann.
Doch plötzlich steht Gott neben ihr in Gestalt eines Engels, fragt, woher sie kommt und wohin sie geht. Hagar wird klar: Gott geht mit mir mit, vor ihm brauche ich nicht zu fliehen, vor ihm brauche ich mich nicht zu verstecken. Gott weiß, wie es mir geht und sieht mich an, nimmt mich wahr, so wie ich bin. Darum nennt Hagar Gott: „Du bist ein Gott, der mich sieht.“ Gott sieht Hagar und Hagar sieht Gott. Später wird sie sagen: „Ich habe den gesehen, der nach mir sieht.“ Sie ist der einzige Mensch, von dem das in der Bibel so berichtet wird.
Hagars Probleme lösen sich aber nicht einfach in Luft aus. Gott mutet ihr zu, wieder in ihr altes Leben zurückzukehren, um ihren Sohn Ismael zur Welt zu bringen. Aber Hagar weiß: Gott sieht mich. Als Mensch und Mutter, nicht als Sklavin und Mittel zum Zweck. Ismael wird Hagars und nicht Sarais Kind sein und ein eigenes Volk gründen, so wie Gott es versprochen hat.
Hagar kehrt zurück, aber später wird sie endgültig gehen, weil sie als von Gott Gesehene nicht mehr alles mit sich machen lässt. Daraus zieht sie Kraft. „Du bist ein Gott, der mich sieht.“ Das genügt Hagar. Sie weiß, dass Gott auf sie sieht, seinen Plan hat mit ihr und ihrem Sohn. Sie weiß, dass sie eine Aufgabe hat, die in die Zukunft weist.
Herzliche Grüße Ihre/eure Pfarrerin Juliane Lorasch
Sechs Löwen, sechs Tiger, zwei Wildkatzen und ein Wildhund haben es geschafft. Sie sind im März aus dem Zoo in Kyiv unter schwierigsten Bedingungen gerettet und nach Polen gebracht worden, weil ihre Sicherheit während des Krieges nicht mehr gewährleistet werden konnte. Später im April wurden weitere Löwen, ein Jaguar und ein Panther aus einem anderen Zoo in der Nähe von Charkiw in Sicherheit gebracht. So berichteten die Nachrichtenagenturen zu Beginn des Kriegs in der Ukraine neben all den anderen Nachrichten über die militärische Lage und Spekulationen über den zukünftigen Verlauf. Für Mensch und Tier ist Krieg.
In einer ähnlichen Situation berichtet der Prophet Jesaja, was er in Zukunft erwartet, wenn der Messias sein Friedensreich aufrichten wird. Er malt etwas aus, das den Naturgesetzen nach undenkbar erscheint. Die tödliche Feindschaft zwischen den unterschiedlichen Tieren und den Menschen wird aufhören. Kein Käfig muss aus Sicherheitsgründen die Tiere voneinander und von den Menschen fernhalten. Kein Tier muss mit seinem Leben das Überleben eines anderen sichern. Ganz im Gegenteil. Leben und leben lassen statt fressen und gefressen werden. Ein kleiner Junge reicht aus, so dass alle im Frieden miteinander leben können. Das ist Jesajas Vorstellung für die Zukunft. Dann ist das Friedensreich angebrochen. Leben ohne die Angst im nächsten Moment gleich vernichtet zu werden von irgendetwas, das da kreucht und fleucht auf unserer Erde. Einfach Frieden. Wie schön wäre das.
Doch jetzt wimmelt es von Löwen und Panthern, Bären und Schlangen. Unsere Welt ist noch weit von diesem Friedensreich, das Jesaja sich ausmalt, entfernt.
Vielleicht ist genau das die Herausforderung für uns zum Beginn des neuen Kirchenjahres und in der Weihnachtszeit: Alle Jahre wieder zu denken: Wie schön wäre das. Und die Hoffnung nicht aufzugeben, dass es besser wird. Dass es sogar einmal richtig gut wird. Weitergehen mit der Hoffnung, weiterleben in dem Glauben, dass es einmal so sein wird. Dass wir alle lammfromm beieinander sind. Dass nach Dunkelheit immer Licht kommt, nach Unheil immer Heil, nach Krieg immer Frieden.
Ich wünsche Ihnen/euch eine gesegnete Advents- und Weihnachtszeit!
Pfarrerin Juliane Lorasch
Liebe Gemeinde,
bei diesem Spruch des Propheten Jesaja klingen uns die Ohren. Große Worte wie Licht und Finsternis, Gut und Böse werden uns regelrecht entgegengeschleudert. Ich stelle mir einen zornigen Mann vor, der mit der Welt und den Menschen fertig ist. Ihm bleiben nur noch diese Wehe-Rufe, die uns eine finstere Zukunft vorhersagen. Was muss dieser Mensch erlebt und gesehen haben!? In welche Abgründe der menschlichen Existenz hat er geblickt?
Für sein Volk Israel hat Jesaja zu diesem Zeitpunkt nichts Gutes geahnt: Land und Gesellschaft waren voll von Protz, Prahlerei und Unterdrückung; die Großen und Mächtigen, die sich selber als „Helden“ und „wackere Männer“ fühlten, haben gnadenlos ihre eigenen Gesetze durchgesetzt, Richter bestochen, Recht gebrochen, Gut und Böse, Licht und Finsternis dreist vertauscht. Auf der Strecke blieben Recht und Gerechtigkeit und diejenigen, die auf die Fürsprache anderer angewiesen waren. Solch ein Land, so Jesajas Vision, hat keine Zukunft!
Kommt uns das irgendwie bekannt vor? Nicht zufällig ziehen sich diese WeheRufe wie ein roter Faden durch die Geschichte, auch durch die Bibel. Jede Generation, jede Zeit hat ihre eigenen Wehe-Rufe, bis zum heutigen Tag. Die WeheRufe unsrer Tage liegen uns auf der Zunge: Wehe den Gewalttätern, wehe den Kriegsherren, wehe denen, die Fremde unterdrücken, wehe den Hasspredigern; wir könnten die Aufzählung mühelos fortsetzen. Besonders bedrückend ist für Jesaja, dass sich diese „Mächtigen“ mit ihren Parolen und ihren Taten von Gott abgewandt haben. Was bleibt dann noch übrig? Gerechtigkeit mit Füßen getreten, Schwache unterdrückt und zum Schluss Gott ausgesperrt.
Dabei hat die Bibel auch andere Botschaften. Beim Propheten Micha etwa: Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir fordert, nämlich Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott.
Gott hat uns die Kraft der Unterscheidung zwischen Gut und Böse gegeben. Setzen wir diese Gabe immer wieder neu ein – gerade in unseren Zeiten. Es grüßt Sie herzlich, Ihr Christoph Noack
Liebe Gemeindemitglieder, liebe Leser*innen,
Johannes hat so einiges gesehen und gehört in seinem Leben und in Visionen. Er hat gesehen, was einmal sein wird und hat es aufgeschrieben in seiner Offenbarung für andere zum Lesen. Denn den Christ*innen zu seiner Zeit war angst und bange. Sie sorgten sich um ihr Leben, ihre Familien, ihre Zukunft.
„Und ich sah, und es war wie ein gläsernes Meer, mit Feuer vermengt; und die den Sieg behalten hatten über das Tier und sein Bild und über die Zahl seines Namens, die standen an dem gläsernen Meer und hatten Gottes Harfen und sangen das Lied des Mose, des Knechtes Gottes, und das Lied des Lammes: Groß und wunderbar sind deine Werke, Herr, allmächtiger Gott! Gerecht und wahrhaftig sind deine Wege, du König der Völker. Wer sollte dich, Herr, nicht fürchten und deinen Namen nicht preisen? Denn du allein bist heilig! Ja, alle Völker werden kommen und anbeten vor dir, denn deine gerechten Gerichte sind offenbar geworden.“ (Offb. 15, 2-4)
Johannes hört in seiner Vision ein Lied des Mose, das er Gott sang, nachdem das Volk Israel auf der Flucht vor den Ägyptern gerettet worden war. Alles nur ein schöner Traum, könnte man sagen. Denn wo sind denn Gottes wunderbare Werke? Wo zeigt er denn seine Gerechtigkeit? So könnte man fragen, wenn man auf all die ungelösten Probleme unserer Welt und auch direkt vor unserer eigenen Haustür guckt. Das Loblied kann einem da schon im Halse stecken bleiben.
Und trotzdem ist die Vision des Johannes mehr als nur ein süßer Traum. Das Lied des Mose ist mehr als nur ein paar daher gesagte Worte. Das Loblied auf Gottes große Taten ist auch in der Johannesoffenbarung gerahmt von diversen Krisenerfahrungen, vom Kampf zwischen Gut und Böse. Und trotzdem traut er sich etwas. Traut sich zu hoffen.
Wir müssen uns trauen, die Träume zu träumen, die eine andere Welt beschreiben, die von Gerechtigkeit und noch so viel mehr erzählen. Sonst bleibt alles beim Alten. Denn woher sonst soll es kommen, wenn wir nicht mehr davon träumen, wenn wir uns nicht mehr trauen davon zu erzählen oder es sogar aufzuschreiben, wie Johannes es getan hat.
Was Gott damals möglich machte, kann er immer wieder möglich machen. Groß und wunderbar sind seine Werke. Gerecht und wahrhaftig seine Wege. Die Krisen unserer Zeit sind furchtbar. Aber niemals dürfen wir aufhören zu hoffen! Denn es gibt immer Grund dazu!
Herzliche Grüße Ihre/Eure Pfarrerin Juliane Lorasch
Liebe Gemeindemitglieder, liebe Leser*innen,
haben Sie die Weisheit mit Löffeln gefressen? Waren Sie schon mal mit Ihrer Weis- heit am Ende oder kannten ganz im Gegenteil der Weisheit letzten Schluss? Wann ist man überhaupt weise? Wenn ich im Duden unter „Weisheit“ nachschlage, findet sich da „auf Lebenserfahrung, Reife beruhende, einsichtsvolle Klugheit“. Das klingt nach einem langen und anstrengenden Weg mit vielen Krisen und Fehlentscheidun- gen, an dessen Ende dann „Weisheit“ steht. Müssen wir dafür also alt, grau und runzelig sein?
Weisheit ist ein zentrales Thema in vielen biblischen Büchern. Der Monatsspruch für den September stammt in diesem Jahr aus dem Buch Jesus Sirach. Da heißt es:
„Gott lieben, das ist die allerschönste Weisheit.“ Vielleicht haben Sie vom Buch Jesus Sirach noch nie gehört. Es steht nämlich nicht im kanonischen Teil unserer Bibel, also nicht im regulären Teil des Alten und Neuen Testaments, sondern zählt zu den sogenannten Apokryphen. Nach evangelischer Lesart sind das zehn Bücher, die im Umfeld der Geschichte Israels und im Vorlauf zum Leben Jesu entstanden sind, aber nicht zur eigentlichen Bibel gehören. Wegen ihres Inhalts sind sie aber trotzdem in einigen Bibelausgaben enthalten. Je nachdem, welche Bibelausgabe Sie haben, fin- den Sie diese Bücher entweder am Ende des Alten Testaments oder eben gar nicht. Gucken Sie ruhig mal nach.
Jesus Sirach identifiziert die Weisheit mit der Gottesliebe. Gott „gibt sie denen, die ihn lieben. Gott lieben, das ist die allerschönste Weisheit.“ Der Beginn der Weisheit ist also immer die Gottesliebe.
Auch Jesus spricht über die Gottesliebe bei der Frage nach dem wichtigsten Gebot:
„und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt und mit all deiner Kraft. Das andre ist dies: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Es ist kein anderes Gebot größer als diese beiden.“ (Mk 12,29-31)
Gott lieben, das bedeutet, auf seine Zusage zu vertrauen und die Welt mit seinen Augen zu betrachten. Und dann, wenn andere Menschen in Not sind, durch Fürbitte, Beistand und Hilfe zu unterstützen. Wo wir mit unserer eigenen Weisheit am Ende sind, ist es Weisheit pur, das Vertrauen auf Gott zu setzen.
Wenn wir so leben, sind wir auch weise, egal wie viel Lebenserfahrung wir mitbringen. Das ist keine Frage des Alters.
Herzliche Grüße Ihre/Eure Pfarrerin Juliane Lorasch
Liebe Gemeinde,
drei Worte sind es, die die Wucht dieses Verses ausmachen: Seele, Durst, Gott.
Über jedes Wort einzeln zu schreiben, allein das würde einen ganzen Gemeindebrief füllen. Unser Beter aus Psalm 42 tut dies jedoch: mit einer schonungslosen Ehrlichkeit, die von Herzen kommt und zu Herzen geht. Er beginnt den Psalm mit den bekannten Worten: Wie der Hirsch schreit nach frischem Wasser, so schreit meine Seele, Gott, zu dir. Der Beter weiß gar nicht wohin mit seinen Gefühlen, mit seiner Verzweiflung; deshalb stellt er sich den schreienden Hirsch vor, der vor einer vertrockneten Senke steht und dessen Zunge trocken bleibt. Und nun drückt er aus, was ihn wirklich bewegt: Meine Seele dürstet nach Gott. Er ist buchstäblich am Verdursten.
Wer einmal Durst erfahren hat, der weiß, wie furchtbar das sein kann; mitunter schlimmer als Hunger. Wir alle kennen den Ratschlag, der uns zu ausreichendem Trinken auffordert, damit unser Körper intakt bleibt. Den Tod durch Verdursten zu erleiden, ist wohl das Schlimmste, was einem Menschen, ja jeder Kreatur, widerfahren kann. Umso erschütternder ist die Klage unseres Verses. Lässt Gott mich verdursten, lässt er mich im Stich, hat er mich vergessen, sich gar von mir abgewendet? So könnten die Worte des Beters endlos weitergehen. In welch einer Situation muss dieser stecken, dass er so verzweifelt ist? Das erzählt er in diesem Psalm 42 jedoch nicht.
Jeder von uns mag sich das selbst vorstellen, oder an eigene Situationen denken, in denen pure Verzweiflung, das Gefühl der völligen Verlassenheit herrschte. Niemand war da, der mir geholfen hat, der mich gehört hat.
Bleibt nun dem Beter gar nichts mehr zu tun? Hat er sich seinem Schicksal verzweifelt ergeben? Hat er resigniert? Am Ende des Psalms tut er etwas scheinbar Widersinniges: Er flieht zu Gott hin; er flieht zu dem, der ihn verlassen hat: „Was betrübst du dich, meine Seele, und bist so unruhig in mir? Harre auf Gott! Denn ich werde ihm noch danken, dass er meines Angesichts Hilfe und mein Gott ist.“ Er fällt Gott in den Arm und hält ihm seine Worte vor, dass er gnädig, barmherzig und voll großer Güte sein wolle. Es scheint, dass der Beter damit Gottes Existenz rettet; aber in Wahrheit rettet er damit am Ende sich selbst.
Es grüßt Sie herzlich,
Ihr Christoph Noack
Wer den Namen der Geliebten auf eigener Haut tätowieren lässt, kann vielleicht besser nachempfinden, was ein Siegel auf dem Arm bedeutet. Zwei Menschen haben sich ins Herz geschlossen. Sie müssen ihre Liebe kenntlich machen, weil sie in ihnen brennt: sie gehören jetzt zusammen! In einer unbeständigen Welt ist die permanente Tätowierung ein starkes Zeichen für die Entschlossenheit: Nichts soll uns voneinander trennen.
„Marmor, Stein und Eisen bricht, aber unsre Liebe nicht. Alles, alles geht vorbei, doch wir sind uns treu.“ Im Moment des Versprechens lodert die Liebe, das Feuer, das das Herz wärmt und das Gesicht strahlend macht. Und die Glut der Liebe soll so bleiben, und nicht gelöscht werden.
Liebe ist stark wie der Tod. „Der Tod ist sicher, aber das Leben nicht.“ In diesem Sinne wünscht man sich, dass die Liebe so stark ist wie der Tod.
Dass die Liebe zwischen Menschen flüchtig ist und schnell verändert werden kann, weiß fast Jeder und Jede. Aber die Bemühung, sich an der Liebe festzuhalten, hat nie aufgehört. Das Versprechen zueinander bleibt gerade angesichts der Unbeständigkeit im Leben immer ein bewegendes Moment.
Eigentlich ist die Liebe stärker als der Tod. Bei den Beerdigungen spüre ich am meisten, dass der Tod die Erinnerungen an einen geliebten Menschen überhaupt nicht wegnehmen kann. Der Tod ist vor der Liebe machtlos. Er hat nicht das letzte Wort, denn die Liebe geht weiter.
Die Auferstehung Jesu zeigt uns, was Liebe möglich macht. Aus Liebe ist Jesus für uns Menschen gestorben, aus Liebe hat er für uns den Tod besiegt. In der Bibel symbolisiert eine Partnerschaft die Beziehung zwischen uns Menschen und Gott. Gott bleibt ewig treu zu seinem Volk, auch wenn es abtrünnig wurde. Dieser Bund konnte nur einseitig von uns Menschen gebrochen werden. Das Versprechen von Gott gilt für immer, und er wartet immer darauf, dass wir zu ihm zurückkehren. Egal in welcher Situation im Leben wir uns befinden, ist immer jemand für dich da, das ist Jesus Christus.
Mit herzlichen Segensgrüßen
Ihre Pfarrerin Luping Huang
Liebe Gemeinde,
denken wir an die Seele, so denken wir an das Innerste des Menschen. Sie gilt als das Zentrum, das Eigentliche eines Menschen, auch als der Teil, in den kein anderer hineinschauen kann. Meine Seele gehört ganz mir, das bin ich selbst. An manchen Stellen der Bibel führt der Mensch sogar ein Zwiegespräch mit seiner eigenen Seele: Was betrübst du dich, meine Seele, und bist so unruhig in mir? (Psalm 42). Oder: Lobe den Herrn, meine Seele, und was in mir ist, seinen heiligen Namen (Psalm 103).
In unserem Text aus dem 3. Johannesbrief unterscheidet der Verfasser zwischen (körperlicher) Gesundheit und der Seele eines Menschen, auch wenn beides zusammengedacht wird. Oft werden seelische Leiden massiver wahrgenommen als körperliche. An der Seele krank sein, das kann Leben dauerhaft einschränken oder sogar zerstören.
Kriegsopfer in der Ukraine oder Geflüchtete sind traumatisiert, von Bombennächten gezeichnet, haben Familienangehörige verloren: Eltern, Kinder, Geschwister, Paare. Da klingt der Wunsch nach seelischem Wohlergehen wie aus einer anderen Welt, fast deplatziert. Wer sollte sich in einer Kriegs- oder Fluchtsituation Gedanken über die Seele machen? Und in der Tat geht es erst einmal ums pure Überleben oder darum, nach einer Flucht ein Asyl zu finden, bei uns oder anderswo. Und dann? Dann kommen die seelischen Folgen. Seelische und körperliche Gesundheit können unterschieden werden, gehören aber doch zusammen.
Zum Schluss erinnere ich an die Erschaffung des Menschen, wie sie im Alten Testament erzählt wird. Adam, der Mensch wird als Körper gemacht, aus Fleisch und Blut, äußerlich gesund und kräftig. Doch lebendig wird er erst, wenn ihm der Atem des Lebens, seine Seele, eingehaucht wird. Dann ist er wirklich er selbst.
Es grüßt sie herzlich, Ihr Christoph Noack
Es war kein Zufall, dass der auferstandene Jesus zuerst Maria von Magdala erschienen ist. Schon vor Tagesanbruch besuchte sie das Grab Jesu. Als sie sah, dass der Stein am Grab zur Seite gerollt worden war, rannte sie zu den Jüngern. Petrus und der Lieblingsjünger Jesu kamen, sie begutachteten das leere Grab und dann gingen sie. Maria von Magdala blieb aber dort. Zwei Engel und dann anschließend Jesus erschienen ihr. Danach ging sie zu den Jüngern und verkündigte ihnen: „Ich habe den Herrn gesehen.“ Bemerkenswert ist hier, dass Johannes das Wort „verkündigen“ eingesetzt hat: Maria von Magdala verkündigte die Auferstehung wie die Engel damals die Geburt Jesu.
Aufmerksame Leser*innen würden außerdem sofort merken, dass hier etwas fehlt: Die Reaktion der Jünger auf diese explosive Verkündigung wurde nicht erwähnt. Dieses Schweigen lässt viel Raum für Fantasien und berechtigte Vermutungen: Die Verkündigung dieser Frau wurde nicht genug ernst genommen. Vielleicht waren die Jünger gekränkt - warum ist Jesus zuerst ihr erschienen und nicht uns? Es ist doch unsere Aufgabe zu verkündigen!
Dass Johannes eine Frau, Maria von Magdala, als erste Zeugin der Auferstehung anerkannt hat, zeigt mir, dass ein Lernprozess in der Urgemeinde stattgefunden hat. Unter dem Licht der Auferstehung Jesu hat die Gemeinde ein neue Erkenntnis gewonnen: Gott kann auch durch eine Frau mit uns sprechen! Das Vorurteil gegenüber Frauen wurde (zum Teil) abgebaut, Diskriminierte wurden respektiert, Erniedrigte wurden erhöht - wie der Lobgesang Maria (Magnifikat) beschreibt.
Was mich an der Bibel immer wieder fasziniert, ist, dass sie nie versucht, die Helden im Glauben so darzustellen, als ob sie von Anfang an Gott und die Welt schon sehr gut gekannt hätten, und als ob sie immer alle gut gehandelt hätten. Sie zeigt uns, wie Menschen bereit waren, sich von der Liebe Gottes ergreifen zu lassen und dadurch Gott und ihre Mitmenschen neu kennenzulernen. Die Kraft der Auferstehung ist eine Kraft der Erneuerung. Diese Kraft wünsche ich mir selbst und Ihnen! Frohe Ostern!
Mit herzlichen Segensgrüßen, Ihre Pfarrerin Luping Huang
Liebe Gemeinde,
in diesen Tagen machen wir uns viele Gedanken und Sorgen um den Frieden in Europa und in der Welt. Politiker ringen um diplomatische Lösungen für Konflikte; doch an allzu vielen Orten sprechen die Waffen und fordern Opfer gerade unter Zivilisten. Oft frage ich mich: Was kann ich tun mit meinen Möglichkeiten, um zu helfen? Womit kann ich dem Frieden und der Gerechtigkeit nützen? Mit Aufrufen, Petitionen, vielleicht auch mit Spenden? Da kommt mir das Gebet als Beitrag manchmal klein und unbedeutend vor.
In unserem Text hat Paulus nicht den Weltfrieden vor Augen, als er an die Gemeinde in Ephesus schrieb. Aber er hatte alle Hände voll zu tun, um für Frieden und Einigkeit in der Gemeinde zu sorgen, bis hin zu einzelnen Versen über das Verhältnis der Generationen oder von Mann und Frau zueinander. Zum Ende seines Briefes ruft er zum Beten auf, und zwar „allezeit“ und in großer Wachsamkeit. Auch in unseren Gottesdiensten beten wir – für uns und für andere. Neben anderen Texten des Gottesdienstes (Psalmen, Epistel, Evangelium, Predigttext) bietet das Gebet eine besondere Möglichkeit der Zusammengehörigkeit der Gemeinde, vielleicht auch eine tiefere innere Beteiligung der Versammelten. Ich denke nicht zuletzt an die friedliche Revolution in der DDR, in der Menschen gerade im Gebet den Mächtigen entgegengetreten waren. Entstanden aus Andachten und Gottesdiensten, hatten sie sich im Geist des Friedens untergehakt und daraus eine innere Kraft geschöpft.
Ich denke auch an den Weltgebetstag im März, der diese Anliegen des Friedens und der Gerechtigkeit aufnimmt und weiterträgt. Vielleicht ist das Beten doch nicht so klein und unbedeutend, als das es mitunter belächelt wird.
Es grüßt Sie herzlich
Ihr Pfarrer Christoph Noack
Liebe Gemeinde,
als diese Jahreslosung vorgestellt wurde, dachte ich, Jesus hat doch freundlichere Sätze als diesen gesagt. „Nicht abweisen“ klingt mir so, als ob Jesus Unwille überwinden müsste, um die Menschen, die zu ihm kommen, zu akzeptieren. Und das passt nicht ganz zu meinem Jesusbild.
Ich lese diesen Spruch im Zusammenhang mit dem ganzen 6. Kapitel im Johannesevangelium, aber Jesus wirkte mir nicht viel freundlicher: Fünftausend Menschen haben erlebt, wie Jesus sie aus fünf Broten und zwei Fischen satt machte. Sie erzählten das Brotwunder weiter, sodass Menschen aus allen Richtungen des Landes zu Jesus strömten. Jesus war wider Erwarten nicht gut zu finden. Er hatte sich zurückgezogen, und zwar absichtlich.
Bei einem Gespräch legte Jesus die Unterschiede zwischen sich und dem Volk, das ihm folgen wollte, offen: „Eure Erwartung an mich ist anders als die ich von euch wünsche. Einige von euch wollen mich zum König machen, manche möchten satt werden, manche wünschen sich Heilung. Was ich von euch erwarte, ist aber, dass ihr an mich glaubt, und dass ihr mit mir eine gute Beziehung habt. Das Brotwunder ist ein Geschenk von mir, aber es ist nur ein Teil von der Herrlichkeit des Gottesreiches, das weit über dieses Leben hinausgeht. Ich habe aber nicht den Eindruck, dass ihr mich versteht.“ Jesus sagte dann trotz Enttäuschung diesen Satz: „Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen.“ Für ihn ist der Auftrag Gottes, der ihn gesandt hat, viel wichtiger als die Unterschiede. Der Plan Gottes, dass Jesus sein Leben für die Menschen opfert, wird nicht dadurch verändert, auch wenn sie ihn zuerst nicht verstehen, auch wenn es ihn schmerzt.
Ich habe gemerkt, genau weil Jesus hier menschlich ist, kann er ein Vorbild für uns in den Konflikten sein: treu zu eigenen Gefühlen zu bleiben, Probleme offen zu legen und nicht vorschnell das Gras darüber wachsen zu lassen. Aber es geht nicht nur um Aussprache des Unmutes und gar nicht um ein sinnloses Aushalten miteinander. Ein höheres Ziel, die Gemeinschaft Gottes zu verwirklichen, treibt uns voran und Gott wird uns dabei helfen, einander besser zu verstehen. Hier ist mir noch deutlicher geworden, wie wichtig es ist, Menschen, die unangenehme Themen ansprechen und im ersten Augenblick nicht freundlich wirken, trotzdem zuzuhören. Möge Gott uns viel Geduld und Weisheit für all die Herausforderungen schenken!
Es grüßt Sie herzlich
Ihre Pfarrerin Luping Huang
Liebe Gemeinde,
hören wir die Worte „Tochter, Zion“, so denken viele wahrscheinlich an das Adventslied „Tochter Zion, freue dich! Jauchze laut, Jerusalem“. Eines der schönsten Lieder des Gesangbuchs, unterlegt mit der Melodie von Georg Friedrich Händel. Doch so weihnachtlich die Worte auch klingen, ihr Ursprung liegt woanders, sowohl bei Händel, wie auch hier bei Sacharja: Einen großartigen Tempel hatte einst König Salomo im 10. Jahrhundert v. Chr. in Jerusalem bauen lassen. Zum ersten Mal hatte das Volk Israel einen festen, zentralen Ort der Anbetung und des Gottesdienstes. Doch es gab auch Zweifel und Kritik daran: sollte dieses Haus jetzt womöglich der einzige Ort sein, an dem Gott jetzt wohnt? Wie gerne kehren wir in der kälteren, feuchteren Weihnachtszeit in feste, warme, gemütliche Häuser und Wohnungen ein. Und wie elend müssen sich Menschen fühlen, die gerade jetzt kein Obdach haben. In Krippenspielen wird das ja geradezu nachgespielt: Maria und Josef waren in der Heiligen Nacht obdachlos, ihr Kind kam in einem Stall zur Welt.
Allerdings können feste Wohnungen allein eines nicht ersetzen: die Menschen und ihre Herzen, die dort wohnen. Auch die prächtigste Wohnung wird keine wirkliche Heimat, wenn dort keine Herzlichkeit und Menschlichkeit wohnen.
So mögen es auch die Kritiker am damaligen Tempel als Wohnung Gottes gesehen haben. So sehr wir auch Tempel und Kirchen als Stätten der Anbetung, der Besinnung und Stille schätzen, wenn Gott nicht in unseren Herzen wohnt, dann fehlt etwas. So lese ich auch unseren Vers aus Sacharja. Freuen wir uns, wenn Gott in unseren Herzen wohnt. Gerade in Zeiten der Pandemie sind solche Zeichen wichtig für uns. Wenn wir feste Stätten der Versammlung nicht oder nur eingeschränkt aufsuchen können, tut es gut, Gott in unseren Herzen zu haben.
Es grüßt Sie herzlich
Ihr Christoph Noack
Liebe Gemeinde,
wenn jemand einem Kind das Fahrradfahren beibringt, wird er/sie dem Kind oft zurufen: „Nach vorne schauen!“ Erfahrene Radfahrer*innen wissen, dass dabei am wichtigsten ist, die Balance zu halten. Das Rad fährt dahin, wo die Augen hinschauen. Sich stets auf das Ziel zu richten vermeidet Schwankung. Wenn man beim Fahren sich ablenken lässt, verliert man leicht die Balance.
Der Spruch für diesen Monat stammt aus dem zweiten Brief des Paulus an die Thessalonicher. Die ersten Christ*innen hatten eine Naherwartung von der Wiederkunft Jesu Christi. Sie glaubten, dass Jesus noch in ihrer Lebenszeit wiederkommen und mit ihnen eine neue Herrschaft entstehen lassen würde. Diese Erwartung ist nicht eingetreten. Jesus Christus ist nicht gekommen, bevor einige Mitstreiter*innen im Glauben starben. Viele fühlten sich enttäuscht und wurden verunsichert: Ob es sich wirklich lohnt, unter all den Verfolgungen am Glauben zu bleiben? Paulus ermahnte die Geschwister in Thessaloniki, trotzdem standhaft im Glauben zu bleiben: Und was hilft dranzubleiben, ist, sich nicht ablenken zu lassen. Gott wird ihre Herzen ausrichten, auf die Liebe Gottes und auf das Warten auf Christus. Gott ist treu, er wird sie stärken und vor dem Bösen bewahren.
In unserem Leben gibt es Situationen, bei denen wir uns fragen: Worauf richten sich meine Augen? Verfolge ich noch das Ziel, das ich hatte? Ist mein Glaube im Schwanken? Begeistert die Berufung damals mich heute immer noch? Ist die Liebe in der Ehe immer noch zu spüren? Ist die Freundschaft noch frisch? Muss ich mein Ziel nachjustieren? Das Ende des Kirchenjahres ist eine Möglichkeit, über solche Fragen nachzudenken. Aber bitte vergessen Sie nicht, dabei immer die Liebe Gottes vor Augen zu haben.
Mit herzlichen Segensgrüßen
Ihre Pfarrerin Luping Huang
Liebe Gemeinde,
in der letzten Strophe des Liedes „Der Mond ist aufgegangen“ heißt es: „… Verschon uns, Gott, mit Strafen und lass uns ruhig schlafen, und unsern kranken Nachbarn auch.“ Genau diese Worte haben mich immer besonders milde gestimmt. Der (einfache) kranke Nachbar findet den Weg in ein Volkslied von Weltrang; plötzlich und unvermittelt wird nach vielen großen Worten von Strafe, Gott und Ruhe der kranke Nachbar zu Ehren gebracht; es sind die letzten Worte des Liedes. Als ob der Dichter uns sagen will: der (kranke) Nachbar ist mitunter wichtiger zu nehmen als große Gedanken von Welt, Jammer und Friede. Andererseits: kann einem manchmal die Nähe von anderen Menschen, weil sie auf einen achten, zu viel werden? Gibt es vielleicht Menschen, die nicht beachtet werden wollen? „Oh, nein!“ sagt unser Text; und das zu Recht.
Jeder Mensch ist auf Gemeinschaft hin angelegt. Menschen werden krank, wenn sie einsam sind. Sicher, mitunter brauchen wir auch Zeiten des Alleinseins, Zeiten, die wir nur für uns haben. Aber wir können diese Zeiten nur schätzen, wenn wir im Tiefsten wissen, dass wir nicht einsam sind, in Wahrheit nicht allein sind.
Oft reden wir von der Liebe Gottes zu den Menschen, oder von der Liebe Jesu zu den Menschen. Geschichten von Jesus aus den Evangelien zeigen uns liebevoll Jesu Hinwendung zu den Menschen, oft zu Kranken und Einsamen.
Und die Menschen untereinander? Kann die Liebe Gottes die menschliche Liebe ersetzen? Vielleicht nicht ersetzen, aber vielleicht bietet sie den Grund dafür, dass wir uns gegenseitig Vorbild sein können; darin, aufeinander zu achten. Nicht auf Belanglosigkeiten, nicht auf Äußerliches, nicht auf Nebensächlichkeiten. Vielmehr hat Gott den Menschen mit einer Seele ausgestattet. Mit der Seele, so heißt es im Schöpfungsbericht der Bibel, wurde der Mensch erst lebendig.
Und genau auf sie haben wir zu achten.
Es grüßt Sie herzlich
Ihr Christoph Noack
Diese traurige Szene erlebten die Menschen vor 2500 Jahren in Jerusalem: Der Tempel war eine Ruine, eine lange Dürre hatte das Land erfasst. Israeliten, die aus dem Exil zurück waren, kämpften darum, in ihrer fremd gewordenen Heimat Fuß zu fassen und ihre Existenz aufzubauen. Es ging aber nicht wie gewünscht voran, denn das Wetter machte nicht mit, es gab keinen Regen, der die Pflanzen gedeihen ließ.
Haggai hatte es gesehen, er trat in Jerusalem auf, rief Menschen auf, die Not zu bekämpfen, mit einer Aufforderung, die in der heutigen Gesellschaft nicht nachvollziehbar scheint: den Tempel wiederaufzubauen. Ein großes Bauprojekt für einen religiösen Zweck anzuschieben, in der Zeit, in der alle Mittel knapp waren, würde heute wahrscheinlich keine Zustimmung bekommen. Haggai sprach im Namen Gottes: Die Dürre kommt von Gott, er hat sie zugelassen, weil ihr die falsche Priorität gesetzt habt. Baut zuerst den Tempel auf, dann gibt es Regen und reiche Ernte. Heute würde man gleich aufspringen: Erpresst Gott uns etwa? Ist der Tempelbau für Gott wichtiger als das Menschenleben? Die Arbeit der Kirchen ist ja nicht systemrelevant.
Wenn wir aber genauer hinschauen: Ist der Tempelbau für Gott? Wozu sind die Kirchen da? Wozu feiern wir Gottesdienste? Gott als Schöpfer von Himmel und Erde braucht kein menschliches Bauwerk um sich niederzulassen, er lebt auch nicht von der Verehrung der Gläubigen. Der Tempel und die Kirchen sind für Menschen da! Sie sind Orte der Zuflucht und Erneuerung. Durch Begegnung mit Gott denken wir neu: Wir lernen, bewusster mit den Ressourcen, die uns anvertraut sind, umzugehen, die Natur zu respektieren und die Umwelt zu schonen. Menschen kommen zusammen, in der Gemeinschaft wird das Leid gemeinsam getragen. Durch miteinander Teilen und gegenseitige Unterstützung geht man besser durch Krisenzeiten. Dass die Spendenbereitschaft in der Corona- Zeit und nach der Flutkatastrophe rekordhoch ist, ist ein deutliches Beispiel dafür. Als Pfarrerin kann ich stolz sagen, dass unsere Kirchengemeinde viel anzubieten hat. Viele Gruppen und Kreisen treffen sich wieder nach den strengen Kontakteinschränkungen. Sie sind herzlich eingeladen, dabei zu sein. Mit Ihrer Beteiligung werden wir noch stärker!
Mit herzlichen Segensgrüßen
Ihre Pfarrerin Luping Huang
Liebe Gemeinde,
„Gott gab uns Ohren, damit wir hören…“, so beginnt die zweite Strophe des Liedes „Gott gab uns Atem, damit wir leben“. Wenn es um Gott und die Menschen geht, sind Augen und Ohren immer dabei, manchmal auch der Atem.
In nahezu jedem Psalm wird vom gegenseitigen Reden und Hören zwischen Gott und Mensch erzählt. Da schreit, ruft und betet der Mensch zu Gott; umgekehrt wird von Gottes Hilfe und Antwort berichtet. Im ersten Schöpfungsbericht heißt es am Ende eines Schöpfungstages: Und Gott sah, dass es gut war. In den Büchern der Propheten wird zu Beginn davon erzählt, dass Gott das Elend seines Volkes sieht, manchmal allerdings auch seine Bosheit. Kurzum: man kann den Eindruck gewinnen, Gott hört und sieht alles. Übertroffen wird das nur noch in Psalm 139: … von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir (Vers 5). Fast hat es hier den Anschein, dass sich der Beter zu sehr von Gott beobachtet fühlt.
Umso erstaunlicher unser Spruch aus dem 2. Buch der Könige: Neige, Herr dein Ohr und höre. Gott hört doch eh alles?! Ist das nun ein Befehl, ein Wunsch oder gar ein Ruf der Verzweiflung? Hier spricht der König von Juda, Hiskia. Er ist fassungslos darüber, dass sich ein fremder Belagerer Jerusalems, der assyrische König Sanherib, über Gott (Jahwe) lustig macht, ihn verhöhnt. Offenbar packt Hiskia die Angst: Wenn die Verbindung zu Gott abreißen, Gottes Schutz gefährdet würde, würde das den Untergang bedeuten. Also ist der Ruf zu Gott „neige deine Ohren und höre“ doch nicht so abwegig oder gar überflüssig; er zeigt, wie gefährdet die Verbindung zu Gott auch sein kann und dass sie aus biblischer Sicht einer regelmäßigen Erneuerung bedarf.
Vielleicht bringt uns ein regelmäßiges Innehalten, ein Eingeständnis, dass wir auf die Zuwendung Gottes angewiesen sind, ein wenig mehr Seelenfrieden.
Es grüßt Sie herzlich
Ihr Christoph Noack
Diesen Satz hat Martin Luther vor 500 Jahren in seinem Versteck auf der Wartburg vom Griechischen in die deutsche Sprache übersetzt, kurz nach seiner Anhörung vor dem Kaiser beim Reichstag in Worms. Vielleicht hat er sich in der Geschichte der Apostel wiedergefunden?
Petrus und die Menschen in der Jerusalemer Gemeinde wurden vom Hohen Rat aufgefordert, nicht über Jesus zu predigen, sonst drohe die Gefahr, verhaftet zu werden. Was der Hohe Rat mit Jesus gemacht hat, war sicherlich noch deutlich vor Augen. Ganz ähnlich musste Martin Luther gut überlegen, ob er seine Thesen widerruft.
„Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.“ „Hier stehe ich, ich kann nicht anders.“ So stellten sich Petrus und Martin Luther gegen die Menschen, die über ihr Leben und ihren Tod entscheiden konnten. Auch wenn die berühmten Sätze nicht aus dem Mund der Akteure kommen, haben die Autoren die mutige Haltung jener trefflich wiedergeben.
Die wirkungsvollen Sätze zeigen uns, dass kurze, klar positionierte Texte nicht nur im Alter der sozialen Medien besser bei Menschen ankommen. Mutig und entschlossen wurden Petrus und Martin Luther dadurch dargestellt. Es hat Menschen begeistert, sie nachzuahmen.
Bei Petrus und Martin Luther ging es aber nicht um Schlagfertigkeit in einer Konfliktsituation oder um Selbstdarstellung eigenen Mutes, sondern es ging um eine Überzeugung, für deren Verbreitung sie sich verpflichtet fühlten. Die Begegnung mit Jesus und die Auferstehung haben Petrus Leben verändert. Nichts wird ihn hindern, darüber zu predigen, dass Jesus lebt. Martin Luther wusste ganz genau, wo seine Quelle war. Sein Gewissen erlaubt ihm nicht, gegen die Erkenntnis, die er aus der Bibel gewonnen hat, zu sprechen. Ihre beiden Überzeugungen sind tiefbegründet im Gottvertrauen und in der Liebe zu Gott und den Menschen.
Welche Überzeugungen bewegen Sie heute? Zu was fühlen Sie sich verpflichtet? Wie begründen Sie ihre Entscheidung in Konflikten? Woher holen Sie sich Kraft?
Gerne können wir darüber ins Gespräch kommen.
Eine gute Sommerzeit und viele herzliche Segensgrüße!
Ihre Luping Huang
Liebe Gemeinde,
diese Worte stammen nicht etwa aus dem Munde Gottes oder eines Propheten oder von Jesus, wie man vermuten könnte; mit dieser Aufforderung bereitet eine kluge Mutter ihren königlichen Sohn auf seine Regierungsgeschäfte vor.
Schauen wir doch einmal in Regierungserklärungen in der Vergangenheit und Gegenwart: da findet sich das Eintreten für die Stummen und Verlassenen eher selten. Meist geht es um Vorhaben, die ein Land wirtschaftlich und politisch nach vorne bringen sollen; das Land soll schöner und glänzender werden. Allerdings braucht ein Regierungschef oder ein Minister auch für seine besten und edelsten Vorhaben politische Mehrheiten. Heraus kommen allzu oft Kompromisse, die die ursprüngliche Absicht und die bemerkenswertesten Vorhaben weichspülen oder kaum noch erkennen lassen.
Die schon erwähnte kluge Königsmutter gibt ihrem Sohn nur diesen dürren Satz mit auf den Weg. Wozu will sie ihn damit ermutigen, wovor will sie ihn warnen? Braucht es wirklich nur diesen einen Satz, um zu regieren?
„Ja!“, so sagt es der Vers aus dem Buch der Sprüche im Alten Testament. Die Worte kommen, im besten Sinne des Wortes, kompromisslos daher. Sie enthalten aber auch eine Wucht: den Blick zu lenken auf die wirklichen Zustände in einem Land, fernab von Schönfärberei, Wunschdenken oder Lobbyarbeit. Wie viele Menschen sind wirklich an den Rand gedrängt, fühlen sich ausgegrenzt, kommen in den Erzählungen bei uns nicht vor? So spricht die kluge Mutter nicht nur zu ihrem Sohn, sondern eher zu uns. Wo kommen in unseren Erzählungen und Gesprächen diejenigen vor, die nie für sich die Stimme erheben konnten, die aber darauf warten, dass sich ihrer angenommen wird?
Wie viele pflegende Angehörige, Pflegerinnen und Pfleger, Ärztinnen und Ärzte, Menschen, die Sterbende begleiten, wünschen sich, dass auch von ihnen erzählt wird und ihre Themen nach vorne gebracht werden? Es wäre eine ganz andere Form des Regierens. Aber auf diesem Regieren liegt der Segen Gottes.
Es grüßt Sie herzlich
Ihr Christoph Noack
Eine klassische Frage für Schülerinnen und Schüler, Konfirmandinnen und Konfirmanden: Darf man Gott malen?
Laut Exodus soll man kein Bildnis von Gott machen. In der Antike nahm man ein Bild viel ernster wahr als wir heute. Ein Bild bedeutete die Gegenwart des Abgebildeten. Die Gefahr, das Bild mit dem wahren Gott zu verwechseln, das Bild zu vergöttlichen, war sehr groß. Gott ist unsichtbar, und viel größer als wir uns vorstellen können, er lässt sich nicht von einem sichtbaren Bild festhalten. Ein Bild schränkt ein, Gott in seiner Fülle und allen Facetten kennenzulernen.
Aber Menschen brauchen eine Hilfe, um Gott näher zu kommen. Für die Gottesdienste, für ein Gebet brauchen viele eine Richtung, eine Konzentrationsunterstützung. Ein Bild von Gott zu malen hat in der Geschichte der Menschheit nie aufgehört. Bei einer bildlichen Darstellung Gottes bringen Menschen ihr Gottesverständnis zum Ausdruck. Es soll kein Gegenstand der Anbetung sein. Es ist vielmehr ein Bekenntnis, ein Lob, eine Verkündigung der Botschaft, die die Beziehung mit Gott fördert. In diesem Sinne ist es sogar wertvoll, ein Bild über Gott zu malen.
Gott selber bietet uns durch Christus eine Annäherungshilfe an. Der Mann aus Nazareth lebte über dreißig Jahren als Jude in Palästina. Er war nicht nur zu sehen, sondern auch zu hören in Fleisch und Blut. Im Christentum ist es kein Problem, Jesus bildlich darzustellen. Ein guter Hirte, ein Prediger, einer, der Kinder auf den Schoß nimmt, einer, der Sturm stillt, ein Leidender am Kreuz, ein Auferstandener mit Wunden in der Hand.
In dem Hymnus, aus dem der Monatsspruch entstammt, bekennen die Urchristen Christus als den Erstgeborenen der ganzen Schöpfungen. Ein Erstgeborener im Alten Testament genießt eine Vorrangstellung vor den Geschwistern und ist prädestiniert, besondere Verantwortung zu tragen. Christus ist eine Brücke zwischen Menschen und Gott. Er ist der Weg, der zum Vater führt. Wir dürfen ohne Furcht zu Gott kommen, uns zu ihm bekennen, ihn loben und anbeten, wie die Urchristen damals und heute mit allen Geschwistern auf der ganzen Welt. Die Begegnung mit Gott schenkt uns den ersehnten Frieden, der auf dieser Welt nicht zu finden ist. Und das heilt.
Liebe Leserinnen und Leser, wenn Sie ein Bild malen/aussuchen würden, um Ihre Beziehung mit Gott darzustellen, wie würde es aussehen? Gerne können Sie es mit mir oder Menschen, die Ihnen nahe sind, teilen.
Ein friedliches Osterfest wünsche ich Ihnen mit herzlichen Segensgrüßen
Ihre Pfarrerin Luping Huang
Liebe Gemeinde,
Steine schreien nicht. Sie sind keine atmenden Wesen, haben keine Stimme. Allenfalls werden sie gesammelt, gelten als stumme Zeugen vergangener Zeiten. Ansonsten werden sie weggeworfen und vergessen.
Als das Lukasevangelium geschrieben wurde, war Jerusalem seit zehn, zwanzig Jahren zerstört. Nicht nur die Häuser waren verbrannt; der Tempel war in Schutt und Asche gelegt und das Volk, die Menschen Jerusalems, in alle Winde zerstreut. Wie sollte man aus dieser Katastrophe jemals wieder herauskommen? Gab es ein Leben nach der Katastrophe, ein Auferstehen aus Ruinen?
Jesus zieht hier hinauf nach Jerusalem; er tut es bewusst; er weiß, was er tut und was ihn dort erwartet. Doch seine Jünger und mit ihnen viele andere jubelten bei seinem Einzug in die Stadt. Mit trotziger Parodie riefen sie: „Gelobt sei, der da kommt, der König, in dem Namen des Herrn!“ Ein Todgeweihter wird als König begrüßt? Und noch in diese gespenstische Parodie hinein rufen einige Pharisäer zu Jesus: „Meister, weise doch deine Jünger zurecht!“ Will sagen: „Bringe die Rufenden zum Schweigen!“
Jetzt holt Jesus zu einer Gegenrede aus: „Wenn Ihr (die Pharisäer) meinen Jüngern verbietet, Gott zu loben, vom Frieden zu reden, dann werden die Steine schreien.“ Dieser Satz stellt sich quasi schützend vor die Jünger: Lassen wir sie doch ihre Sehnsucht, ihr Loben hinausschreien, gegen alle Vorsicht, gegen alles Rücksichtnehmen auf die Mächtigen. Damals wie heute.
Liebe Gemeinde, Schreien hat etwas Ursprüngliches, etwas Irrationales. Menschen schreien, wenn sie sich anders nicht mehr zu helfen wissen oder anders nicht wahrgenommen werden. Hier möchte ich einmal von einem Schreien für die Menschlichkeit sprechen. Wenn sich korrupte Autokraten hemmungslos bereichern, Kritiker einsperren und auch diejenigen mundtot machen, die dagegen angehen, spätestens dann ist es Zeit für den Schrei der Menschlichkeit.
Es grüßt Sie herzlich
Ihr Christoph Noack
Wann habe ich das Wort „barmherzig“ im vergangenen Jahr benutzt? Die Antwort ist klar: nur im Gottesdienst, beim Gebet, bei der Anrufung Gottes. Im Neuen Testament ist das Adjektiv barmherzig (oiktirmos) nur eine Beschreibung Gottes, außer in Lukas 6, 36, woher die Jahreslosung stammt.
Barmherzigkeit ist mehr als Mitleid: Sie konkretisiert die Liebe, betont Mitgefühl mit Menschen in Not, bedingungslose Vergebung von Verfehlungen, und fordert auf zu handeln. Barmherzigkeit geht von einem Machtgefälle aus, überwindet aber diese Ungleichstellung, indem eine*r zu Gunsten des Gegenübers freiwillig eigene Handlungsfreiheit einschränkt. Diese Art von Barmherzigkeit kann eigentlich nur Gott haben. Die Jahreslosung fordert uns aber auf, barmherzig zu sein. Man fragt, ist es keine Überforderung für uns Menschen? Wie geht das, wenn wir von Anfang an wissen, dass es eigentlich nicht möglich ist, vollkommen nach diesen Kriterien zu handeln?
Keine Angst, wir fangen mit dem zweiten Teil des Verses an: „wie auch euer Vater barmherzig ist.“ Wir Menschen sind in erster Linie Empfänger dieser Barmherzigkeit. Nach der Erkenntnis von Jean Piaget, dem Pionier der kognitiven Entwicklungspsychologie, handelt ein Mensch in seiner ersten Entwicklungsstufe egozentrisch. Er kann nur aus eigener Perspektive die Welt kennenlernen und weiß nicht, dass andere Perspektiven existieren. Dieser Egozentrismus behindert Menschen in gewissem Grad, sich in die Rolle von anderen hineinzuversetzen, um Mitgefühle zu entwickeln, die für ein gelingendes Zusammenleben wichtig sind. Perspektivwechsel finden nicht von alleine statt, wenn man älter wird. Diese Kompetenz muss aktiv erworben werden. Das beste Vorbild für Perspektivwechsel ist der barmherzige Gott selbst. Gott erkennt den Egozentrismus der Menschheit an, durchbricht beispielhaft die Isolierung zwischen Menschen und Gott, indem er die Perspektive eines Menschen einnimmt, um eine Beziehung mit uns Menschen aufzubauen. Für mich ist es sehr entlastend, dass der Egozentrismus des Menschen von Gott anerkannt und so akzeptiert wird, wie er ist. Durch die Menschwerdung Gottes ist eine göttliche Perspektive für uns eröffnet, die Grenze der eigenen Perspektive zu erkennen, anzuerkennen und in der göttlichen Perspektive sich selbst zu akzeptieren, so wie wir sind.
In der Perspektive Gottes nehmen wir unsere Mitmenschen und die Umwelt wahr, als Geschwister und Mitgeschöpfe Gottes, die wie wir Empfänger dieser Barmherzigkeit sind und gleich wie wir eigene Grenzen haben. Wir fangen an, Gott nachzuahmen, barmherzig zu sein, barmherzig zu uns selbst, barmherzig zu sein zu unseren Mitmenschen, besonders zu denen, die auf unsere Hilfe, unser Vergeben angewiesen sind.
Barmherzigkeit ist 2021 wichtiger denn je für uns in der Gemeinde und in der Gesellschaft. Unter der Kontaktbeschränkung werden Menschen mehr als sonst räumlich getrennt. Wir sehnen uns danach, die Isolation zu durchbrechen, um gemeinsam diese harte Zeit durchzuhalten. Möge Gott uns die Weisheit und die Kraft schenken, ihn nachzuahmen und so ein Segen für einander zu sein. Amen.
Es grüßt Sie herzlich
Ihre Pfarrerin Luping Huang
Brich den Hungrigen dein Brot, und die im Elend ohne Obdach sind, führe ins Haus! Wenn du einen nackt siehst, so kleide ihn, und entzieh dich nicht deinem Fleisch und Blut! (Jesaja 58, 7) „Ist ein Gast im Haus, so ist Gott im Haus“, lautet ein polnisches Sprichwort. Dafür steht auf dem festlich gedeckten Weihnachtstisch ein zusätzliches Gedeck für unerwartete Gäste bereit. Dieser Brauch erinnert an die Weihnachtsgeschichte nach Lukas, als Maria und Josef in Bethlehem keine Herberge fanden. Der leere Platz am Esstisch drückt aus: Gott ist mitten unter uns. Kommt zu uns in einem Kind, wird unser Fleisch und Blut. Das feiern wir an Weihnachten.
Auch im Judentum gibt es eine ähnliche Tradition beim Passahmahl: Ein Stuhl und ein Gedeck mit einem gefüllten Weinglas werden bereit gehalten für den Propheten Elija. Denn sein Kommen kündigt den Messias an.
Ein freier Platz mit einem zusätzlichen Gedeck am Tisch zu Weihnachten. Das wäre doch was, wenn in diesem Jahr zu Weihnachten Stühle an unseren Tischen leer bleiben müssen. Wir halten die leeren Plätze symbolisch frei: für Gott – und die Gäste, die wir nicht sehen können. Und für die, die meistens übersehen werden: die Hungrigen, Obdachlosen, Platzsuchenden.
Wie wäre es, das Geld, das wir dieses Jahr einsparen, bewusst zu spenden? Weil es nicht so viele Gäste zu bewirten gibt oder weil wir nicht reisen können. Es gibt viele, die auf unsere Hilfe warten: in der Welt und unter uns, durch die Corona-Krise sind es noch mehr geworden. „Brich den Hungrigen dein Brot!“ Diesen Aufruf zum Teilen bezieht Jesus im Matthäusevangelium auf sich selbst: „Was ihr getan habt einem von diesen Geringsten, das habt ihr mir getan.“
Dieses Jahr müssen wir auf vieles verzichten. Doch dadurch wird auch der Blick freier auf das, was wir und die Welt wirklich brauchen: Hoffnung und Solidarität. Lassen wir dafür einen Platz an unseren Tischen frei! So wünsche ich uns eine gesegnete Advents- und Weihnachtszeit.
Ihre Sabine Beuter – Pfarrerin
Liebe Gemeinde,
das Kirchenjahr neigt sich dem Ende zu und der Beginn des neuen kündigt sich mit der Adventszeit an. Aber es ist schon merkwürdig, dass unser Kalenderjahr dann endet, wenn im Kirchenjahr alles beginnt! Christliche Hoffnung richtet sich seit je her auf das Kommen des Reiches Gottes: „Dein Reich komme!“, betet die weltweite Christenheit täglich. Und so, wie es mit unserer Welt auszusehen scheint, kann Gottes Reich erst dann kommen, wenn die Welt vergeht. Und wie oft haben Menschen im Namen von Religionen das Weltenende angekündigt und mit kommenden Schrecken versucht, Macht über Menschen zu erlangen? Doch gerade das ist nur die Sprache dieser Welt: Macht und Gewalt, die Not und Unrecht hervorruft. Wer so vom Weltenende redet, als käme ein neues, machtvolles, gewaltiges Weltreich, der hat nicht begriffen, wovon Jesus redet.
Was Jesus den Menschen ins Herz pflanzen wollte, als er vom unbemerkt unter uns aufkeimenden Reich Gottes sprach, das ist ein Geheimnis, eine Botschaft, die sich nicht wie politische Parolen in den Straßen breit macht. Gottes Botschaft für uns kommt in einer schwachen, unscheinbaren Gestalt zu uns, als offenbartes Geheimnis: Gott wird Mensch, Gott macht sich klein, begibt sich da hinein, wo die Sehnsucht nach Veränderung, nach Leben und Liebe am größten ist: in die Not und Leere der Menschen.
Das ist das Geheimnis, das uns von Gott her gesagt ist: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt“, sagt Jesus. Er ist gekommen, nicht zu vernichten, sondern das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen! Das offene Geheimnis des Reiches Gottes gleicht dem Geheimnis der Liebe unter uns Menschen: Liebe kann man nicht sehen, aber dennoch hat sie die Macht, alles zu verwandeln, wie ein unscheinbarer Löwenzahn. So stark kann sie sein, dass sogar Beton und Straßenteer zersprengen. Das Sonderbare am Reiche Gottes ist, dass sich Gott selbst in seine Welt hineinbegibt als Kind. So geschieht das Wunder: Die alte Welt vergeht, nicht weil Gott sie zerstört, nein, weil er selbst sie liebend an sich bindet und von innen her verwandelt.
Es scheint manchmal so, als ob seine Kraft nicht existiert, aber seien Sie getrost: Die Welt wird vergehen, so wie das Kalenderjahr die vergehende Zeit unaufhaltsam anzeigt. Euch aber ist ein Geheimnis gesagt: Da, wo die Welt vergeht, breitet sich Gottes Reich aus. Denn Gott steht nicht nur am Anfang unserer Welt, er steht auch an ihrem Ende. Und bei aller Hetze unseres Lebens können wir ihm nur in die Arme stürzen, tiefer nicht!
Jesus Christus spricht: Ich bin in die Welt gekommen als ein Licht, damit, wer an mich glaubt, nicht in der Finsternis bleibe … denn ich bin nicht gekommen, dass ich die Welt richte, sondern dass ich die Welt rette. (Joh 12, 44f)
Es grüßt Sie herzlich
Ihr Arndt Klemp-Kindermann (Pfarrer)
Masken tragen - Abstand halten – „Neue Normalität“.
Was ist gerade das Beste für unsere Stadt, die Welt?
„Suchet der Stadt Bestes!“
Jeremia, der Prophet, schrieb diese Worte an Menschen im Exil. Nach der Eroberung durch die Babylonier 585 v. Chr. leben viele Israeliten in der Fremde verschleppt. „Suchet dieser Stadt Bestes!“ klingt aus dieser Situation noch einmal verschärfter als in unserer. – Ist das nicht Kollaboration, mit, ja für die feindliche Umgebung zu arbeiten und zu beten?
Auch wenn wir uns gerade nicht ganz ungezwungen bewegen und treffen können, befinden wir uns nicht in Gefangenschaft. Wir leben nicht unter einem Unrechtsregime, sondern in einer Demokratie. Demokratisch gewählte Regierungen in Bund und Ländern suchen mit Wissenschaft, Augenmaß und viel Geld nach dem Weg durch die Pandemie. Nicht allen leuchten alle Maßnahmen ein und manche leiden massiv darunter.
Es ist auch möglich, dass sich einiges im Nachhinein anders herausstellt.
Und ja, es ist ärgerlich, wenn Politiker Krisenmanagement und Wahlkampf vermischen.
Trotzdem bin ich dafür, den gegebenen Regeln zu folgen und für sie zu werben, auch wenn das Leben in unseren Gemeinden darunter leidet.
Gottesdienste können nur unter strengen Voraussetzungen stattfinden, Chöre wenig oder gar nicht proben und Abendmahl zu feiern ist kaum möglich…
Das mag nach Anpassung klingen, ist aber in meinen Augen die Übernahme von Verantwortung für das Ganze der Gesellschaft. Ein Gebot der Nächstenliebe, das auch mir letztlich zugutekommt: „Suchet der Stadt Bestes… denn wenn’s ihr wohl geht, geht’s euch auch gut.“ Und es wird gerade auch vieles neu: Wir feiern Gottesdienste anders und treffen uns draußen und online. Wir Christen gehen plötzlich ins Freie, heraus aus der Komfortzone in die Öffentlichkeit, werden sichtbar, hörbar. Nicht nur mit unserem Gesang und Gebeten, sondern auch mit Worten und Taten auf der Suche nach dem Besten für unsere Welt. Christsein ist keine Insel fernab der Welt, sondern Verantwortung mitten in ihr.
So grüße ich Sie herzlich zum Herbst und wünsche Ihnen alles Gute
Ihre Sabine Beuter – Pfarrerin
Liebe Gemeinde,
hören wir das Wort „Versöhnung“, so denken wir an große Gesten des Vergebens, des Sich-Aussprechens. Fast unerreichbar scheint uns Versöhnung; sei es zwischen Verwandten, zwischen Nachbarn, zwischen Völkern. Denken wir etwa an die Wahrheits- und Versöhnungskommission in Südafrika nach dem Ende der Apartheid: bei derart gewaltigen Verbrechen, bei dieser Ungerechtigkeit, die dort jahrzehntelang gegenüber den Farbigen herrschte, kommt Versöhnung einer kaum leistbaren Aufgabe gleich.
Etwas näher sind uns da vielleicht Eindrücke aus unserem Umfeld. Folgende Situation sei beschrieben:
Eine Familie schafft es am Sonntagmorgen um 10 Uhr gerade so in den Gottesdienst; nach längerer Zeit will sie dies einmal wieder gemeinsam tun. Doch zuvor Stress zu Hause: hat jeder was gegessen? Ist die Kleidung okay? Wurden die Kinder rechtzeitig geweckt? Und vieles mehr. Dabei treten natürlich Spannungen auf; ein Wort ergibt das andere, womöglich war auch ein unschöner Wortwechsel dabei.
Und nun sitzen sie neugierig und erschöpft in den Bankreihen; jeder hängt seinen eigenen Gedanken nach. Plötzlich ertönt von vorne die Anweisung des Pfarrers: Nun gebt einander ein Zeichen des Friedens! In den Bankreihen ringsum scheint das zu funktionieren: Nachbarn, Bekannte, die sich auf das Wiedersehen gefreut haben, geben sich (lange vor Corona!) die Hände, umarmen sich vereinzelt, sagen „Schalom“ oder „Friede sei mit dir“. Nur in unserer Familienbank macht sich Beklommenheit breit. Schweigend sitzen sie da; dann klopfen sie sich (wenig überzeugend) auf die Schulter; doch am liebsten würde der eine oder andere rausrennen…
Zeichen des Friedens, gar der Versöhnung auf Befehl, auf Bestellung? Das Alte Testament weiß um diese Gemengelage und schreibt in großer Weisheit: Versöhne dich erst mit deinem Nächsten, sprich dich mit ihm aus und erst dann geht gemeinsam in den Tempel, in den Gottesdienst! Zwischenmenschliche Spannungen versperren den Blick und das Ohr auf das Wort Gottes. Gott will nicht, dass wir uns auf Bestellung aussprechen; es braucht Zeit und Kraft. Aber angelegt ist die Gabe dazu in uns. Wer sie nutzt, dem steht Gott auf diesem Weg bei.
Es grüßt Sie herzlich
Ihr Christoph Noack.
Liebe Gemeinde,
das sind Worte, die zum Durchatmen einladen; es sind Zeilen, die unser Leben in einem freundlichen, fröhlichen Licht scheinen lassen. Endlich einmal natürliche Freude und Dankbarkeit! In Gottesdiensten, Gebeten und Fürbitten hören wir ja oft nachdenklichere Töne, die uns zudem ermahnen oder zu etwas auffordern. Auch die Mühseligen und Beladenen werden hier nicht erwähnt, so sehr uns ihr Schicksal auch nahegehen mag. Hier nun also eine unverstellte Freude.
Die Zeilen dieses Psalms sind eingebettet in die Faszination über Gottes Schöpfung, seine gute Ordnung. Alle Teile der Schöpfung scheinen wie ein wohlüberlegtes Puzzle zueinander zu passen; ohne die komplexen naturwissenschaftlichen Zusammenhänge zu kennen, fühlten sich die Schreiber dieser Worte gut aufgehoben in der Schöpfung: jedes Geschöpf hat den ihm zugewiesenen Platz, alles ist aufeinander abgestimmt. Auch der Wechsel von Tag und Nacht, Licht und Finsternis, Hitze und Kälte, Trockenheit und Regen gehören in diese verlässliche Ordnung. Auch der „verlässliche“ Gott gehört in diese Ordnung: so, wie er die Welt geordnet hat, so ist er mir Schutz und Partner für mein Leben, für meine Seele. Da ist keine Rede von einem zornigen oder richtenden Gott, wohl aber von einem Gott, der mir sagt: du bist kein Zufallsprodukt. Mit deiner Seele und deinen Talenten bist du gewollt.
Neben den Eltern gibt es noch eine weitere Quelle für mein Leben, für meine Seele. König David, dem diese Zeilen zugeschrieben werden, hält Zwiesprache mit Gott; in den Zeilen zuvor von Gott, der immer und überall zu finden ist. Und danach wird dem David Gottes Schutz fast übermächtig, überpräsent. Doch erscheint Gott nicht als Bewacher, nicht als einer, der einengt, sondern der Grund zu Freude und Dank ist.
Dass ich wunderbar gemacht bin, wie es der Psalm ausdrückt, heißt auch, sich über seine eigenen Stärken und Talente zu freuen; neben allen Schwächen, die wir allzu gut kennen. Aber Gott kennt unsere guten Seiten, unsere persönlichen Gaben. Und er ermuntert uns, diese Gaben nicht zu verstecken, sondern sie zum Wohle aller einzusetzen.
Einen freundlichen Blick auf Ihr eigenes Leben wünscht Ihnen herzlich
Ihr Christoph Noack.
Liebe Gemeindeglieder,
der Sommer ist da und hoffentlich können Sie ihn genießen trotz der immer noch geltenden Beschränkungen durch das Covid19-Virus.
Sommer, Sonne, Wärme, dazu noch ein Badesee – Eis und Grillfeiern. Der Garten und das satte Grün. – Der Sommer ist die Jahreszeit des vollen und satten Lebens. Leben intensiv spüren und die Schönheit der Schöpfung ohne Arbeitsdruck wahrnehmen, das gehört für mich zum Sommer dazu. Sommerfreizeit ist Segenszeit, Zeit, in der wir entspannen können, um das Leben als Geschenk anzunehmen – vielleicht bei einem Glas Wein auf einer Terrasse mit freundlichen Menschen über das Leben sinnieren und dabei spüren, dass wir alle Teil eines größeren Ganzen sind…
Andererseits bedeutet Sommer für manche puren Stress: der Urlaub muss geplant werden, gepackt, das Geld kalkuliert und alle sollen zufrieden sein, hohe Erwartungen sind zu erfüllen. Oder Enttäuschungen sind auszuhalten, wenn keine Reise geplant werden kann. Dennoch, der Sommer ist geschenkte Zeit.
Als ich Schüler war, waren die finanziellen Möglichkeiten gering. Ein Freund überredete mich, mit einer Pfadfindergruppe auf Wanderschaft zu gehen. Ich kannte nur ihn. Ein Wagnis, das ich immer wieder gerne eingehen würde. Wir waren 14 Tage nur auf uns gestellt: ein Dutzend junge Menschen mit nichts weiter dabei als dem, was sie auf dem Rücken tragen konnten, dazu die grandiose Naturkulisse des Dordogne-Tals in Südfrankreich, und das alles vom Pfadfinderverein gefördert, mit dem Ziel Menschen zusammenzubringen.
Die Erfahrung, mit völlig Fremden unter dem gleichen Sternenhimmel zu liegen und über das Leben zu philosophieren, werde ich nie vergessen. Einmal gerieten wir auf einem Zeltplatz mit französischen Jugendlichen in Streit, den die Alten aus dem Dorf gelassen schlichteten, indem sie von der schlimmen Zeit im Krieg berichteten. Danach saßen wir alle am Lagerfeuer und erlebten Versöhnung! Das werde ich nie vergessen und hoffentlich daraus immer den Gedanken zurückgewinnen, den Bettina Wegner in ihrem Lied „Jesus“ so dramatisch zusammengefasst hat:
„…Jesus war Pole und Jude dazu / Jesus war'n Schwarzer und kam aus Peru / Jesus war Türke und Jesus war rot…“
Wir müssen begreifen, dass das Leben einen gemeinsamen Ursprung hat, den wir alle teilen, und dazu ist Gott in Christus Mensch geworden, um das zu lernen.
Lassen wir einmal alles weg, was uns im Alltag so sehr beschäftigt, und blicken auf das Leben um uns herum, zu dem wir gehören, dann kann uns vielleicht doch mehr Dankbarkeit erfüllen und ins Leben zu den Mitmenschen leiten, als der Frust, die Sorgen oder der Neid, dieses oder jenes nicht zu haben oder zu können.
Wem das gelingt, der ist reich beschenkt, wie es in Psalm 115 steht:
„Gott segnet … die Kleinen und die Großen. Der Herr segne euch je mehr und mehr, euch und eure Kinder! Ihr seid die Gesegneten des Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat.“
Wir sind mit Leben gesegnet, lasst uns das genießen und teilen!
Ihr Pfarrer Arndt Klemp-Kindermann
Liebe Gemeindeglieder,
wir erleben besondere und leider auch schwierige Zeiten. Ich frage mich, wie wird dieses Jahr Pfingsten gefeiert? – Ein winziges Virus hat unser Leben aus den Angeln gehoben. Wir sind gezwungen, uns auf die veränderten Bedingungen einzustellen. Was wird diese Zeit mit uns machen? Wie werden unsere Familien, Freunde, Bekannten und wir selbst durch diese Zeit kommen? – Ungewissheit ist ein urmenschliches Gefühl und wenn es zur Furcht wird, kann es unser ganzes Leben gefangen nehmen. Dabei kommt es gerade in schwierigen Zeiten darauf an, Herz und Verstand beisammen zu halten.
Im Kirchenjahr ereignen sich parallel zu unseren Zeiten Feste, bei denen Leid, Unsicherheit, Scheitern, Hoffnung, Unverständliches und Wege ins Unbekannte bestimmend sind: Jesu Passion, Ostern und Pfingsten.
Manches ähnelt vielleicht unseren Erfahrungen in der Corona-Krise? – Wir sehen, wo unser Leben auf tönernen Füßen gebaut ist: die Wirtschaft, die so sehr auf Abhängigkeiten beruht, unser Planen, das nicht mit der Zerbrechlichkeit des Lebens rechnet, aber auch der Mut und die Solidarität vieler Mitmenschen, spontan oder organisiert und treu in sogenannten systemrelevanten Berufen.
Leben im Wandel mit verändertem Blick! – Das war Pfingsten. Jesu Jünger mussten neue Formen des Zusammenlebens finden. Es entstand die erste Gemeinde, die Kirche, ausgerichtet auf solidarisches Zusammenleben, in der Hoffnung auf eine bessere Welt, durch Jesu Geist. – Diese Krise hat die Menschen nicht in die Verzweiflung getrieben. Der Weg ins Unbekannte ist zwar nicht zum Himmel auf Erden geworden – der soll ja erst noch kommen. Aber die ersten Christen spürten Gottes Geist, der sie trug. Die Kirche ist sozusagen das Provisorium auf dem Weg zu Gott.
Schon im Alten Testament gibt es Bilder, die diesen improvisierten Weg auf Gott zu beschreiben. Vielleicht ist ein Leben mit Gott immer eine Art Improvisation in Sachen Glaube, Hoffnung Liebe? – Der Prophet Sacharja entwickelt auch ein Hoffnungsbild von der kommenden Welt Gottes in schwierigen Zeiten: „Es soll nicht durch Heer oder Kraft, sondern durch meinen Geist geschehen, spricht der Herr Zebaoth.“ (Sach 4, 6b)
Israel war verschleppt und ohnmächtig, lebte seit Jahrzehnten in der babylonischen Kriegsgefangenschaft. Dort versuchte es seinen Glauben nicht zu verlieren. – Babylon war eine prächtige Kultur. Vermutlich sind viele Israeliten Babylons Verführungen erlegen. Doch nun war alles anders. Der Perserkönig Kyros II. verfügte nach der Eroberung Babylons, dass alle heimkehren könnten. Aber was erwartete sie da? Das gelobte Land? – Jerusalem war ein Trümmerhaufen.
Liebe Gemeinde, warum sollte man im Leben Einschränkungen in Kauf nehmen? – Das ist vielleicht für viele mit Blick auf die Pandemie eine der brennendsten Fragen. Dabei war diese Frage ja durch die Diskussion über die aufgeheizte Konjunktur und ihre Folgen für die soziale Gerechtigkeit und Umwelt schon lange aktuell: Rüstungsexporte und Bürgerkriege, Flüchtlingswellen und Dürrekatastrophen… Können wir da einfach weiter machen wie bisher? – Während die Staaten streiten, ob in der globalisierten Welt gerechtere Strukturen geschaffen werden sollten, schleicht sich ein Virus ein, das alles schachmatt setzt. Was passiert hier gerade? – Sicherlich keine Strafe Gottes!
Das Leitthema der Bibel ist Rettung! Der biblische Gott schafft Gebote zum Schutz des Lebens. Das Kreuz Christi zeigt den mitleidenden Gott, der sich mit den Schwachen solidarisiert. Alle Propheten, die sahen, dass der Weg aus Egoismus und Gier vor die Wand läuft, sprechen immer auch von Rettung, die Gott anbietet, wenn der Mensch sich auf seinen Geist des Lebens, der Liebe und der Hoffnung einlässt. Dennoch bleibt klar, dass unser Lebenswandel Folgen hat.
Es ist nicht möglich, zur Corona-Krise den Willen Gottes zu orakeln. Aber man kann die gottgegebene Vernunft nutzen und Schlüsse ziehen, ob dieses oder jenes Verhalten klug ist oder ob es einander schadet oder dient. Dazu kann man auch die Vergangenheit hinzuziehen. Das tun die Propheten, wenn sie sagen: „Erinnert Euch, wie Gott vorzeiten geholfen hat! Daran orientiert Euch jetzt!“ Das versucht Sacharja: „Durch Gottes Geist soll diese Welt verwandelt werden – ohne Gewalt!“ Und man darf im Menschen Jesus von Nazareth diesen Geist wiedererkennen: Jesus wird zum Christus, weil er sich der Liebe zum Leben hingibt. – Das Unbegreifliche an Gott ist seine Menschwerdung, sein solidarischer Weg mit und für uns. Das bedeutet Kreuz und Auferstehung. Auch wenn Sacharja vor 2550 Jahren keine Ahnung hatte, wer Jesus sein wird, so hatte er doch eine Ahnung, was Gottes Geist für unser Leben bedeutet: Es geht darum, in unserer Zeit nach Gott zu forschen. Sacharja gibt uns dazu Orientierungshilfen: „Schaut, was Gott gesagt und getan hat! Wie er Menschen begleitete und so sichtbar wurde.“ Gott ist Liebe, wie es Johannes zusammenfasst (1 Joh 4,16).
Für Sacharja war der Aufbruch in die Ungewissheit eine Chance, das Leben neu an Gottes Geist auszurichten und aus der Bequemlichkeit des babylonischen Luxus und der Faulheit der Gefangenschaft auszubrechen, um frei zu werden. – Gottes Freiheit bedeutet zweierlei: Freiheit von dem, was uns in der Welt gefangen hält – unseren Begierden, Sorgen und Zwängen, denen wir uns unterwerfen –, davon will Gott frei machen, um uns dann zugleich ans Leben, die Liebe und Hoffnung zu binden.
Beides können wir auch heute sehen: wie Menschen ohne Geist panisch Klopapier horten oder vom Eingriff in die Freiheit sprechen, weil sie dies oder jenes vorübergehend nicht tun können, während andere einfach solidarisch sind, die Schwächsten nicht zurücklassen und Ideen entwickeln, wie man diese Zeit möglichst gut zusammen übersteht. Wie man dem Leben dient, hat etwas mit Gelassenheit zu tun.
Die Rettung eines Kindes durch einen schottischen Bauern macht das deutlich: Der reiche Vater wollte sich mit Geld bedanken. Der Bauer lehnte ab. Als der Vater den Sohn des Bauern sah, bot er an, ihm ein Studium zu finanzieren. So wurde aus dem Bauersjungen der Arzt Alexander Flemming, der Erfinder des Penicillins. Als der gerettete Sohn Jahre später erkrankte, überlebte er durch Penicillin. Es war Winston Churchill. Er führte den britischen Widerstand gegen Hitler an.
Alles nur Legende? – Mag sein! Aber ich glaube nicht, dass Mitmenschlichkeit und Liebe, dass der Geist Gottes Zufall ist. Und wenn das stimmt, sind wir dem Schicksal nicht heillos ausgeliefert, sondern: Wo wir uns dem Geist Gottes überlassen, wird mit und durch uns Gottes Plan von seiner anderen Welt Wirklichkeit – und das ganz ohne Heer und Gewalt!
Ich wünsche allen, etwas davon zu spüren, jetzt und in der kommenden Zeit. Und dass die guten Dinge, die sich neben allem anderen auch ereignen, unseren Blick auf unser Leben nachhaltig verändern mögen.
Bleiben Sie behütet! Ihr Pfarrer Arndt Klemp-Kindermann
Es wird gesät verweslich und wird auferstehen unverweslich. (1. Kor 15, 42)
Ein Mann geht über ein Feld. Schwungvoll wirft er mit der rechten Hand Getreidekörner auf den Acker. In einem Tuch, quer über die Schulter gebunden, trägt er das Saatgut. Der Acker schimmert dämmrig blau-lila, der Sämann ist nicht deutlich zu erkennen, aber in seinem Rücken leuchtet eine große runde Sonne und drumherum der ganze Himmel gelb.
„Sämann bei untergehender Sonne“ heißt das Bild von Vincent van Gogh, das diese Szene darstellt. Van Gogh malte viele Saat-Bilder. Er war ein tief religiöser Mensch und kannte die Bibel, die Worte und Gleichnisse Jesu über Saat und Säen.
Der 1853 in den Niederlanden geborene Sohn eines Pastors hatte zunächst viele Berufe versucht: Buch- und Kunsthändler, Lehrer, ja auch Prediger. Mit 27 Jahren entschied er sich Maler zu sein, doch seine psychische Erkrankung trat immer deutlicher zu Tage. Er starb mit 37 Jahren.
Van Goghs Bilder malen gegen die Vergänglichkeit an: immer dieses überwältigende Gelb – Sonnenblumen, Sterne, Getreidefelder und immer wieder die Sonne. Auf dem Gemälde „Sämann bei untergehender Sonne“ nimmt der gelbe Himmel mit der Sonne einen Ticken mehr Raum ein als die dämmrige untere Hälfte.
Die Sonne wird wieder aufgehen, auch wenn es dunkel wird.
Van Gogh malt so ein Dasein vor Augen, das werden soll und das bleibt: verwesliches Leben, das in unverwesliches verwandelt wird. Das gegen die untergehende Sonne, gegen die lebensfeindlichen Mächte arbeitet wie der Sämann. Im Säen werden Vergänglichkeit und Ewigkeit miteinander verwoben.
Davon erzählt Ostern: von der Macht Gottes, die den Gekreuzigten nicht in der Nacht des Todes ließ. Und die den Frauen und Männern, die Jesus gefolgt waren, neue Kraft gab. So konnte die Saat, die der Sämann Jesus gelegt hatte, aufgehen und unverwesliche Hoffnung weitertragen.
Dieses österliche Hoffen und Säen wünsche ich Ihnen mit herzlichen Grüßen
Ihre Pfarrerin Sabine Beuter