Waldemar Macholz - Ein Teltower Pfarrer in den Umwälzungen der Jahre 1914 - 1922

Teil 1: Kriegsjahre

Zwei Gedenktafeln im Altarraum der St. Andreaskirche erinnern an die Gefallenen unserer Gemeinde aus zwei Kriegen. Konfirmanden hatten es bei unseren Kirchenrallyes schwer, diese Ereignisse recht einzuordnen. Und eine französische Besucherin, geprägt durch das Verständnis einer strikten Trennung von Kirche und Staat in ihrem Land, empörte sich einmal, dass so etwas in einer Kirche nichts zu suchen habe. Auch in jüngerer Zeit war der Ort der Anbringung der Gedenktafeln im Kirchenraum Anlass zu engagierten Debatten. Gleichwohl markierten der Befreiungskrieg gegen Napoleons Truppen 1806 und der Weltkrieg von 1914 – 1918 wesentliche Einschnitte in der Geschichte, als die evangelische Kirche noch Staatskirche war. Die Anbringung der neueren und die Überarbeitung der älteren Tafel ist der Initiative des Pfarrers und Superintendenten Waldemar Macholz zu verdanken, der in der Ahnentafel der Teltower Geistlichen in den Jahren 1915 bis 1922 erscheint.

Als er im Weltkriegsjahr 1915 sein zweifaches Amt in Teltow antrat, hatte er bereits einen beeindruckenden Weg hinter sich: 1876 in Danzig geboren, wuchs er danach in Berlin auf, wo sein Vater ein Bankgeschäft betrieb. Nach dem Theologiestudium in Tübingen, Berlin und Halle besuchte er das königliche Predigerseminar in Wittenberg und schlug mit dem Erwerb der Lehrbefähigung an Hochschulen – seinen Namen zierte fortan ein „lic.“ - zunächst eine akademische Laufbahn ein. 1902 wurde er Studieninspektor am Predigerseminar im schlesischen Naumburg am Queis, wechselte dann in eine Gemeindepfarrstelle in Görlitz. 1906 heiratete er die Pfarrerstochter Alwine van Randenborgh, ein Sohn wurde dem Ehepaar 1909 in Görlitz geboren. 1913 zog die Familie nach Wittenberg, wo Macholz wieder als Studieninspektor (an seinem eigenen ehemaligen) Predigerseminar wirkte.

1915 berief ihn die Synode des Kirchenkreises Kölln-Land I, des größten und bedeutendsten Kirchenkreises der Evangelischen Kirche der altpreußischen Union, zu ihrem Superintendenten als Nachfolger von Johannes Schaper, der das Pfarrhaus in der Ritterstraße 11 verließ. In den jährlichen Synodalberichten, unter dem Titel „Bericht über die kirchlichen und sittlichen Zustände des Kirchenkreises, erstattet vom Superintendenten Lic. Macholz in Teltow“, aus denen im Folgenden zitiert wird, erfahren wir viel über das Leben und die Stimmung in diesen Jahren sowie über die Ansichten des Verfassers.

Macholz‘ erste Dienstjahre standen unter dem alles beherrschenden Thema des Weltkrieges: Allerdings bemerkte er bereits bei seinem Dienstantritt im zweiten Kriegsjahr 1915, wie die anfängliche Kriegsbegeisterung der Menschen abzuebben begann: Die in den Gemeinden abgehaltenen Kriegsgebetsstunden verzeichneten – auch in Teltow – eine nachlassende Teilnehmerzahl. Lebhaft war allerdings die Beteiligung am Versand seelsorgerlicher Grüße aus der Gemeinde an „ihre im Felde oder in den Garnisonen dienenden Mitglieder, an Lazarette und einzelne Verwundete“: Etwa 400 Gemeindeblätter wurden regelmäßig per Feldpost aus Teltow verschickt. Macholz hielt im Jahre 1915 sechs Kriegsvorträge.

Menschlich und wirtschaftlich machten sich die Folgen des Krieges in Teltow bemerkbar: „Gefallene, Eingezogene, Gefangene: Es fehlen die rüstigsten Hände und die umsichtigsten Köpfe“, beklagt Macholz. Gleichzeitig machte der Gemeinde die „ungeheure Erschwerung der Wirtschaftsführung“ zu schaffen. Kohlen- und Kohlrübennöte plagten die Bevölkerung, die „müde geworden ist vom Anstehen nach Lebensmitteln“. Zur Gottesdienstzeit (!) strömten Berliner zu „profitgierigen Landwirten“ auf die Rieselgüter östlich von Teltow, „bereit für Lebensmittel märchenhafte Preise zu bezahlen“. Den Zusammenkünften der Frauen mangelte es an Wolle und zu verarbeitenden Stoffen, was ihnen „einen Teil ihres Daseinszweckes zu nehmen schien“.

Gottesdienstbesuch und das Gemeindeleben litten stark wegen der Abwesenheit der zum Kriegsdienst verpflichteten Männer und den Gefallenen des Krieges. Für letztere regte Macholz die Anbringung von würdigen Tafeln im gesamten Kirchenkreis an, „die das Opfer ihrer bis in den Tod Getreuen künden“. Währenddessen mussten Orgelpfeifen und Glocken der Kirche zur Waffenproduktion abgeliefert werden.

Die überwiegende Zahl der noch vorhandenen Männer und Frauen fanden wenig Zeit, das schwindende Gemeindeleben zu stärken: „In industriellen Betrieben stehen sie in Tag- und Nachtschichten. Der Bau der Goerz’schen Riesenfabriken auf dortigem Gelände lässt Arbeits- und Lohngier, aber nicht die Pflege des kirchlichen Lebens zu Worte kommen. Auch sind durch Belegung sämtlicher in Betracht kommenden Säle mit Kriegsgefangenen Räumlichkeiten für Veranstaltungen einfach nicht da“.

Allerdings machte Macholz auch Kriegsgewinnler aus. Er fand sie in Kreisen der wohlsituierten jüdischen Bevölkerung: „Je länger der Krieg dauert, um so mehr … wird der kleine, saturierte, vornehme Villenvortort … der behagliche Sitz jüdischer Kriegsgewinnler, die in dieser Zeit ruhenden Baugewerbes die Landhäuser der bisher Einheimischen aufkaufen…“. Auch empörte er sich über Kirchenaus- und Übertritte, auch von zehn Kirchenmitgliedern, „widerlicherweise zum Judentum“. Diese Ansichten, nicht etwa am Biertisch geteilt, sondern der versammelten Synode vorgetragen, mag die Stimmung auch kirchlicher Kreise illustrieren, die zwanzig Jahre später in eines der dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte führen sollte.

Das letzte Kriegsjahr 1918 war in der Evangelischen Kirche gleichzeitig auch das Jahr, in dem man der 400sten Wiederkehr der Lutherischen Reformation gedachte. 1518 – die Thesen des Reformators in Wittenberg – das sollte bei allen Einschränkungen der Kriegssituation auch in Teltow gefeiert werden: Macholz bereitete die Gemeinde mit einem Zyklus von drei Predigten, Gemeindeabenden und Vorträgen auf das große Ereignis vor. Ein Lichtbildervortrag (!) zum Thema „Luther und das deutsche Land“ und ein Vortrag vor den Konfirmierten über „Luther und die Freude“ zum Erntedankfest waren weitere Veranstaltungen im Jubiläumsjahr. In einem Kinderfest am Sonntag, den 28. Oktober, wurde „Luthers Leben den Kindern in einer Kette von Darstellungen und Katechese nahe gebracht“. Am Vortag des 31. Oktober fand ein Turmblasen statt und die Kinder wurden von der Schule zur Kirche geführt, ein Gemeindeabend schloss diesen Tag ab. „Teltow vermochte es“ überdies „die Stadtverwaltung zur Verteilung des Buchwaldt‘schen Heftes (eine Kurzfassung des Werkes ‚Doktor Martin Luther. Ein Lebensbild für das deutsche Haus‘ von Georg Buchwaldt)an die Schüler aller oberen Stadtschulklassen zu bewegen“. Eine geistliche Musikaufführung folgte dem Reformationstag mit seinem Festgottesdienst.Eine Missionsevangelisation unter dem Titel „Reformation und Mission“ vom 14. bis zum 14. November schloss die Feierlichkeiten ab.

Thomas Karzek

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