Weitere Ämter
Semlers Arbeitseifer beschränkte sich nicht nur auf Schule und Kirchenmusik, er bewies auch buchhalterisches Geschick. Der Stadtverwaltung Teltows diente er lange Jahre als Kassenrevisor und vertrat als Patronatsältester die wirtschaftlichen Interessen des preußischen Staates in den Versammlungen der Kirchengemeinde. Seit 1908 war Semler außerdem Kirchenkassen-Rendant. Zu diesem Ehrenamt erklärte Superintendent Schaper der Kirchen- und Schulbehörde: „Die Verwaltung erfordert wenig Zeit und Kraft. Eine Beeinträchtigung der schulamtlichen Tätigkeit des Herrn Lehrers Semler durch die Übernahme der Rendantur ist nicht zu befürchten“.
Ruhestand
Es war wohl die Summe all seiner Ämter, die zu Semlers Erschöpfung führte. Er klagte 1910, dass seine Pflichten ihm keine Sonntagsruhe gestatteten. „Auch die Ferien boten mir keine volle Erholung, da ich den Amtssorgen nicht gänzlich entfliehen konnte. Nun ist endlich eine Ermüdung eingetreten, die mich verhindert, mein Amt so zu verwalten, dass die heutigen Forderungen um die Schule voll erfüllt werden könnten“. Darüber hinaus attestierte ihm Professor Laehr, Leiter der Nervenheilanstalt Schönow, dass er „an einer leichten Form von Schüttellähmung, (leide) welche ihn … für die Arbeit eines Lehrers und Organisten voraussichtlich dauernd unfähig macht“. Laehr hielt „die demnächstige Pensionierung des Herrn Semler für notwendig“. Semler reichte daraufhin den Antrag ein, mit 62 Jahren- nach 40 Jahren im Schulamt und 38 Jahren in den damit verbundenen kirchlichen Ämtern - in den Ruhestand treten zu dürfen. Dem Antrag wurde zum 1. Oktober 1910 stattgegeben. Semler blieb aber seiner Kirchengemeinde weiterhin eng verbunden. Er versah den Dienst als Kirchenältester und vertrat die Gemeinde in der Kreissynode des damaligen Kirchenkreises Kölln-Land I. Anlässlich des Gottesdienstes zur Wiedereinweihung der umgestalteten Andreaskirche am 26. Februar 1911 stiftete er eine neue, silberne Taufschale.
Auszeichnungen
Zweimal wurde Semler der Königliche Kronenorden IV. Klasse verliehen. Den ersten erhielt er 1910 zum Eintritt in den Ruhestand, da er „in der Stadt Teltow durch Hingabe in seinem Berufe, tadellose Führung und eifriges Bemühen um seine Fortbildung sich die Anerkennung seiner vorgesetzten Gemeinde, die Achtung und das Vertrauen seiner Mitbürger in ungewöhnlichem Maße erworben (habe).“ Der zweite königliche Orden wurde Semler nach Kriegsende 1916 verliehen. Anlass war eine zweijährige ehrenamtliche Vertretungszeit an seiner alten Schule als „mehrere Lehrer der Stadtschule zum Heeresdienste eingezogen wurden“. Bürgermeister Palleske befürwortete den Antrag „auf das Wärmste“ mit den Worten: „Karl Semler (sei) ein treuer Hüter der Jugend von altem Schrot und Korn, der ohne Rücksicht auf klingende Münze in wahrhaft treuer und rührender Weise seinen Dienst uneigennützig der Stadt und der Jugend zur Verfügung gestellt hat.“
Der Kantor emeritus als Kirchenkämpfer
Bis zum Jahre 1933, dem Jahr der Machtübernahme Hitlers, finden wir den Namen Semlers in den Protokollen des Gemeindekirchenrates in Teltow. Dass die Nationalsozialisten auch die Führung in der evangelischen Kirche anstrebten, missfiel dem 86-jährigen aktiven Ruheständler. Bei den Wahlen zur Kreissynode kandidierte Semler auf der Liste „Kantor Semler“ gegen die Liste der den Nationalsozialisten nahe stehenden „Deutschen Christen“ unter Oskar Reibe und siegte mit 22 gegen 13 Stimmen. Krankheitsbedingt konnte er sein Amt jedoch nicht mehr antreten. Er verstarb am 3. Mai 1933 und wurde am 6. Mai auf dem Teltower Friedhof beigesetzt. Der Nachruf des Magistrats endet mit den Worten: „Teltow wird seinen alten Kantor Semler nicht vergessen!“
Thomas Karzek