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Wer war Hans Böhm? (Teil 3)

Teil III – Ein Pfarrer für den Kirchenkreis

Als Pfarrer Dr. Hans Böhm 1934 seine neue Stelle als „Kreispfarrer für Siedlungen“ antrat, hatten die Nationalsozialisten bereits das ganze Deutsche Reich unter ihre Kontrolle gebracht. Auch vor der evangelischen Kirche machten sie nicht Halt. Leitungspositionen wurden mit Personen der staatstreuen „Deutschen Christen“ besetzt. Wer dagegen protestierte, wurde verfolgt, verhaftet, in Konzentrationslager verbracht oder gar hingerichtet.

Dagegen erhob sich ein engagierter Widerstand. Interessanterweise waren viele Widerständler in ihren Anschauungen noch im 1919 untergegangenen Kaiserreich zu Hause und gar keine Freunde der gescheiterten Weimarer Republik. Von daher begrüßten viele Kirchenleute, die sich dann der Protestbewegung „Bekennende Kirche“ anschlossen, die Machtergreifung der Nationalsozialisten und traten sogar der staatstragenden Partei NSDAP bei. Dazu gehörte auch Hans Böhm. Aber dass die Nationalsozialisten sich auch ihre evangelische Kirche einverleibte, die Kirchenverfassungen umschrieb und die Inhalte der Verkündigung bestimmte, passte den Widerständlern gar nicht.

Ein Kirchenkreis, in dem sich der Widerstand gegen die staatliche Kirchenpolitik konzentrierte, war Böhms neuer Wirkungskreis Kölln Land I. Superintendent Distel mit Dienstsitz in Berlin-Lichterfelde verstand es geschickt, frei werdende Pfarrstellen mit Mitgliedern der kirchlichen Opposition zu besetzen. Der Begründer des Pfarrernotbundes Martin Niemöller war Pfarrkollege in Dahlem, ebenso Pfarrer Martin Albertz. Dietrich Bonhoeffer, mit dem Böhm Auslandsreisen in ökumenischer Mission unternahm, ging im Hause Distel ein und aus und Gemeinden im Kirchenkreis waren Gastgeber der berühmten „Bekenntnissynoden“.

Pfarrer Böhm hatte sich bereits 1933 dem Pfarrernotbund angeschlossen und avancierte zum Reichsgeschäftsführer. In der aus diesem Notbund gewachsenen „Bekennenden Kirche“ bekleidete er Führungspositionen und war weithin gefragter Gast für Vorträge und Predigten. Seine Wohnung befand sich in der Zehlendorfer Schädestraße 8 in der Nähe seiner ersten Predigtstätte im Haus Schönow. Seine Amtseinführung geschah recht schlicht in einer Sitzung des Kreissynodalvorstandes (heute: Kreiskirchenrat) im Januar 1935. Laut Dienstanweisung hatte Böhm die Aufgabe „Mittel und Wege für die kirchliche Arbeit“ des stark wachsenden Groß-Berlins „in den Siedlungen, Laubenkolonien, Wochenendplätzen usw. ausfindig zu machen und auszubauen“.

Zu seinen regelmäßen Aufgaben gehörten die Betreuung der vakanten Gemeinde Ruhlsdorf, 14-tägige Gottesdienste im Haus Schönow und im Haus Bethesda mit Kindergottesdienst. Darüber hinaus gestaltete er Bibelstunden an vier verschiedenen sowie Konfirmandenunterricht an drei verschiedenen Orten.

Ein Höhepunkt für das Projekt „Kreissiedlungspfarramt“ war die Errichtung eines Kinderhortes auf dem von der Ortskirchengemeinde zur Verfügung gestellten Grundstück an der heutigen Mahlower Straße und einer daran angeschlossenen Kapelle im Jahre 1935. Hierhin verlagerten sich nun die bis daher im Hause Bethesda angesiedelten Gottesdienste und Veranstaltungen. Vor allem versammelte sich hier „die große bekennende Gemeinde, an ihrer Spitze der Bruderrat als die innere Leitung…“, wie Böhm in einen Tätigkeitsbericht Ende 1935 berichtete.

In seinem Dienst in den Wohn- und Laubensiedlungen wurde Böhm von einer Gemeindeschwester und einer Kindergärtnerin, bei Verkündigung und Unterricht von einem Vikar und einer Vikarin unterstützt. Diese Unterstützung war notwendig wegen Böhms zahlreichen Verpflichtungen in der Leitung der Bekennenden Kirche, was ihn laufend in Konflikt mit der neuen Staatsmacht brachte. Insgesamt viermal wurde er verhaftet, die Gestapo (geheime Staatspolizei) versuchte seine Tätigkeit auf das Berliner Stadtgebiet zu beschränken, was ihr jedoch auf Grund seines Dienstauftrages auch für Teltow und Ruhlsdorf nicht gelang.

Obwohl Dr. Hans Böhm im August 1938 noch den von der Offizialkirche geforderten Treueeid auf den Führer ablegte, wurde gegen ihn ein kirchliches Disziplinarverfahren angestrengt, woraufhin er 1939 aus dem Pfarrdienst entlassen wurde. Auch die NSDAP verfügte 1938 gegen ihn den Parteiausschluss. Die Verfügung endet mit den Worten: „Da er … völlig unbelehrbar ist, kann er nicht länger Parteigenosse sein“.

Von nun an war Böhm alleine auf die Unterstützung seines stark von der bekennenden Kirche getragenen Kirchenkreises angewiesen. Sein Wohnhaus wurde 1939 vom Luftgaukommando III beansprucht. So wurde für den Kreispfarrer ein Pfarrhaus am Teltower Damm 224 erworben. Böhms Pfarr- und Leitungsdienst im Bruderrat der Bekennenden Kirche wurde von nun an durch mehrere Haftstrafen – u.a. auch für die Mitarbeit an der illegalen Kirchlichen Hochschule - unterbrochen, der einsetzende Bombenkrieg brachte die Arbeit fast zum Erliegen. Dennoch versuchte Böhm die Arbeit der Kirche auch inhaltlich voranzubringen. Bereits 1936 veröffentlichte er mit dem damaligen Generalsuperintendenten Dibelius einen Entwurf einer neuen Kirchenordnung. Mit anderen oppositionellen Theologen traf er sich vor allem im Haus der Gossner-Mission in Friedenau zu Fragen des Gottesdienstes, zur Taufe und zum Abendmahl.

Am 1. 10. 1944 geriet er in das Gefängnis des Reichssicherheitshauptamts wegen Beihilfe zur Flucht von Attentätern des Anschlages auf Hitler vom 20. Juli 1944. Bei dieser Haft zog er sich bleibende gesundheitliche Schäden zu. Zum Kriegsende im April 1945 kam er unerwartet frei. Über 100 Menschen strömten zusammen, als sie erfuhren: „Hans Böhm lebt!“

Thomas Karzek

Letzte Änderung am: 03.05.2020